Blutiger Spessart
diesen Geschäften Beteiligten eisern schwiegen. Zu groß war außerdem die Furcht, dass sich sonst ihre Lebenserwartung drastisch reduzieren könnte.
Emolino leerte seinen Teller, wischte mit einem Stück Brot die übrige Soße zusammen und schob sich den letzten Bissen in den Mund. Mit einem kräftigen Schluck Montepulciano spülte er den Rest hinunter. Dann stieß er genüsslich auf, zog die Serviette vom Hals und holte einen Kugelschreiber aus der Jackentasche. Mit großen Buchstaben schrieb er darauf: »Ist der Raum sauber?« Fragend sah er die anderen an.
Trospanini nickte. »Wir haben ihn erst heute kontrolliert. Keine Abhörgeräte feststellbar.«
Emolino nickte zufrieden. »Gut, Michelangelo, dann will ich erst einmal wissen, wie es um die Geschäfte bestellt ist.«
Trospanini hob einen Laptop auf den Tisch und schaltete ihn ein. Dann schloss der Buchhalter des Paten eine externe Festplatte am Rechner an. Emolino hatte angeordnet, alle brisanten Daten auf externen Datenspeichern zu archivieren. Auf den Rechnern des Unternehmens befanden sich nur völlig harmlose Daten. Die Steuerfahnder, die vor dem Prozess die Rechner mit den Festplatten beschlagnahmt hatten, würden mit ihren Ermittlungen total ins Leere laufen.
Trospanini war bisher nach Mallepieri der zweite Mann gewesen. Nach dem Verrat Mallepieris war der Buchhalter zum Consigliere aufgestiegen. Konzentriert begann er mit seinem Bericht. Emolinos Gesicht wurde im Laufe des Berichts immer ausgeglichener. Ein Beweis dafür, dass er mit der Geschäftsentwicklung hoch zufrieden war. Sein Zwangsaufenthalt im Knast hatte sich nicht negativ auf seine Konten ausgewirkt. Trospanini hatte die Sache gut im Griff. Er würde ihm, obwohl er ihn zum Consigliere befördert hatte, weiterhin die Buchhaltung überlassen.
Als Trospanini mit seinem Bericht am Ende war, warf er dem Paten einen fragenden Blick zu. Nachdem der zufrieden nickte, löste die Verbindung zum externen Datenspeicher.
Emolino trat langsam ans Fenster und starrte hinaus. »Es sieht so aus, als würde dieser Oberstaatsanwalt keine Ruhe geben. Wir werden Mittel und Wege finden müssen, ihm seine Grenzen aufzuzeigen.«
Den beiden Männern am Tisch war klar, wen der Pate meinte. Simon Kerner gehörte schon lange zu den größten Feinden der Familie.
»Papa, kann ich das nicht machen?« Der junge Emolino sah den Paten forschend an. Er musste einen Weg finden, dass ihm der Alte wieder mehr Geld zur Verfügung stellte.
»Ricardo, das ist wirklich noch eine Nummer zu groß für dich«, wehrte der Alte kopfschüttelnd ab. Er sah seinen Consigliere fragend an.
Der überlegte kurz, dann wiegte er den Kopf. »Man muss das Risiko abwägen. Mit dem Kronzeugen sind auch einige Polizisten gestorben. In der Zeitung stand, dass sie Familie hatten. Man kann sich ausrechnen, dass die Ermittlungsbehörden vor Wut schäumen. Wenn jetzt auch noch der Oberstaatsanwalt….«, er zögerte kurz, dann fuhr er fort: »… überraschend von uns geht, werden sie alles aufbieten, um uns zu kriegen. Dann gibt es einen totalen Krieg! Das wäre schlecht fürs Geschäft.«
Don Emolino sah seinen Consigliere nachdenklich an, dann nickte er langsam beipflichtend mit dem Kopf. »Da hast du sicher recht. Wir müssen zuerst immer an die Geschäfte denken. Wenn dann einige Zeit ins Land gegangen und Gras über die Sache gewachsen ist, kann es ja zu einem bedauerlichen Unfall kommen.«
Trospanini lächelte verhalten.
7
Brunner betrat sein Büro im vierten Stock des Polizeipräsidiums. Die Sonderkommission
Spessartblues,
die vor zwei Jahren mit vierzehn Beamten für die Ermittlungen gegen den Emolino-Klan eingerichtet worden war, nahm fast das ganze Stockwerk in Anspruch. Oberstaatsanwalt Kerner hatte damals den Vorschlag gemacht, der Kommission diese – natürlich ironisch gemeinte – Bezeichnung zu geben. Seinerzeit war man noch voller Optimismus ans Werk gegangen, in der festen Überzeugung, dass der Pate bald den Blues verspüren würde. Das erklärte Ziel war es, dieser Hydra des Verbrechens möglichst schnell alle Köpfe abzuschlagen und ein Nachwachsen zu verhindern. Jetzt, nachdem der Erfolg der intensiven Ermittlungsarbeit zunichte gebombt worden war, spürte Brunner selbst in sich das schwermütige Gefühl, das man landläufig mit dem »Blues« umschrieb.
Der Leiter der Einsatzgruppe legte seine Jacke ab und zog das Schulterhalfter mit seiner Dienstpistole aus. Die Hitze des Tages hatte unter seinen Achseln
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