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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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kann nichts passieren. Die Winde hat immer ihren Dienst getan, sie ist in den ganzen Jahren nicht ein einziges Mal ausgefallen.«
    Trumbadin packte die Gitterstäbe und presste sein Gesicht zwischen die Stangen. »Glaubt ihr wirklich, ich mache mir Sorgen um den blöden Käfig?« Er lachte bitter. »Der König hat mir befohlen, hinunter in den Spalt zu steigen und mich dem letzten Wächter zu stellen. Ich soll ihm erklären, was zu tun ist. Ihr habt ihn selbst gesehen - findet ihr, er sieht aus, als ob er darauf wartet, von mir unterrichtet zu werden?«
    Trumbadin wartete nicht ab, bis sie ihren fragenden Ausdruck im Gesicht verloren hatten. »Nein, verdammt noch mal, er ist ein Oger, eines der wildesten Geschöpfe Nassfals. Er hockt da unten, und alles, was er kennt, ist, zu töten und zu fressen. Wir füttern ihn die ganze Zeit mit den Resten aus unserer Kohlkammer. Seit Wochen hat er wahrscheinlich kein einziges Stück Fleisch zwischen die Zähne bekommen. Jetzt sitze ich in diesem Futterkorb und werde zu ihm hinuntergelassen. Findet ihr immer noch, ich sollte mir Sorgen machen, dass die Kette reißt?«
    Die beiden Bleichen schüttelten entsetzt den Kopf. »Fleisch ist rar. Unsere Jäger haben seit Wochen nur Nager gefunden. Wie hätten wir da diese Bestie füttern sollen?«, erklärte der eine, wobei er selbst zu merken schien, dass die Titulierung »Bestie« nicht besonders glücklich gewählt war.
    Trumbadin unterließ es, die Worte zu kommentieren. Er stieß sich vom Gitter ab und hockte sich in die Mitte des Käfigs. Ein energisches Nicken zeigte, dass er bereit war, hinuntergelassen zu werden - so bereit, wie man in dieser Situation eben sein konnte.
    Der Maester hatte darauf verzichtet, seine Rüstung anzulegen. Es schien ihm nicht sonderlich sinnvoll, sich kampfbereit jemandem zu stellen, mit dem man auf keinen Fall Streit haben wollte. Er hatte in seinen Unterlagen von Ogern gelesen, aber die spärlichen Aufzeichnungen gaben nicht wirklich Aufschluss über dieses tumbe Volk. Worin sich die Schriften jedoch einig waren, war, dass die Oger ein kriegerisches Volk zu sein schienen, dem man kein großes geistiges Potenzial nachsagte.
    Trumbadin hatte auf alles Wissen der Gelehrten verzichtet und sich die Aussage einer der Mätressen des Königs zu eigen gemacht: Wenn man mit Worten nur wenig erreichte, sollte man sein Aussehen sprechen lassen. Auch wenn Trumbadins Ansinnen anders geartet war als das der Königsgeliebten, schien ihm die Vorgehensweise doch die richtige zu sein. Er hatte lange überlegt, um ein passendes Gewand zu finden, das irgendwo zwischen »Kriegerheld« und »Leckerbissen« lag. Seine Wahl war auf ein einfaches Wams, einen Waffenrock, Schulterpolster und lederne Beinlinge gefallen. Um nicht ganz untergeben vor dem Oger zu stehen, hatte er sein bronzenes Kurzschwert angelegt. Die Waffe, die jeder vom König überreicht bekam, der Dienst am Spalt tat.
    Ein bronzenes Kurzschwert, dachte Trumbadin. Hätten wir vorher gewusst, welche Kreaturen im Laufe der Zeit zu den Wächtern Nassfals gehören würden, hätte der König besser daran getan, uns eine Dampfkanone und einen Rammbock zu überreichen.
    Der Schacht im Boden des Gewölbes öffnete sich knarrend und gab einen kleinen Einblick auf das frei, was die Zwerge den Spalt nannten. Eigentlich war es nicht mehr als ein riesiger Riss in der Erde, der mehrere natürliche Höhlen miteinander verband. Die größte von ihnen nannten sie »Nassfals Quelle«, und genau dorthin ließen sie ihn jetzt hinab.
    Außer der Quelle - einem dunklen Tümpel, gefüllt mit Pech und Öl, auf dem eine bläuliche Flamme loderte - war in der Dunkelheit von der Höhle nichts auszumachen, und auch nicht von seinem neuen Bewohner. Langsam und gleichmäßig bedienten die beiden Zwerge die Kurbel am Aufzug. Trumbadin verschwand mitsamt dem Käfig im Bodenloch und tauchte in die Dunkelheit ein. Es würde nur noch wenige Minuten dauern, bis er dem letzten Wächter gegenüberstand und sich entscheiden würde, ob Trumbadin als Lehrmeister oder Futter enden würde. Noch nie kamen dem Maester wenige Minuten so lang vor.
    Der Käfig hing nur noch fünf Fuß über dem Boden, und schemenhaft konnte der Maester den steinernen Thron im blassblauen Licht erkennen. Trumbadin drehte sich um und presste sein Gesicht gegen die Gitterstangen, um nach der Kette zu spähen, die aus dem schwarzen blubbernden Quell hervorkam und an dessen Ende der Oger gekettet war. Die eisernen Glieder

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