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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Ich gebe Euch nicht mehr Schuld an allem, was passiert ist, als ich einem Apfel Schuld gebe, vom Baum gefallen zu sein, oder einer Schneeflocke, eine Lawine ins Tal gestürzt zu haben. Alles, was ich will, ist zu wissen, ob wir weitere tausend Jahre darauf warten müssen, von unserer Knechtschaft befreit zu werden. Ich bin alt, aber ich würde gern der sein, der das Volk der Bleichen zurück in den Frieden der Götter gebracht hat. Wenn ich jetzt meinen Maestern sagen soll, sie müssen mich weitere tausend Jahre am Leben erhalten, glaube ich, werden sie mit ihrem Walrossfett und den Kräutertinkturen nicht weit kommen. Versteht Ihr, was ich sage? Mein Volk hat genug gelitten, es wird Zeit, unsere Schuld als beglichen anzusehen.«
    Mogda war abermals erstaunt, wie viel Leben noch in dem Alten schlummerte. Anscheinend hatten die Erinnerungen eine vitalisierende Wirkung auf ihn. Mogda wollte ihn nicht weiter reizen. Er befürchtete, der Alte würde sich irgendwann so frisch fühlen, dass er meinte, er könne sich mit einem Oger anlegen.
    »Wie viele Krieger könnt ihr mir zur Seite stellen?«, erkundigte sich Mogda.
    »Keinen«, krächzte der König. »Wir haben gerade mal dreitausend Mann. Als ich sagte, Grothak hat uns seinen Segen genommen, meinte ich das auch so. Seitdem er uns verbannt hat, wurde in unserem Volk kein einziger Säugling mehr geboren. Wir waren ein Volk von sechzigtausend Zwergen. Nur die Götter wissen, warum wir nicht schon lange alle an Altersschwäche gestorben sind. Vielleicht hält uns diese verdammte Kälte jung. Auf jeden Fall bin ich nicht gewillt, den kläglichen Rest meines Volkes für eine weitere Prophezeiung zu opfern.«
    »Eure Majestät, ich habe achtzig Oger, was denkt ihr, kann ich damit gegen eine fremde Armee anrichten?«
    »Nichts«, erwiderte der König trocken. »Aber sie können hier warten, bis Ihr zurück seid. Ihr habt mein Wort darauf, dass es ihnen an nichts mangeln wird bis zu Eurer Rückkehr.«
    »Ich soll allein gegen eine Armee kämpfen?«, fragte Mogda ungläubig. Jetzt schien sich das Alter des Königs doch bemerkbar zu machen.
    »Ihr stellt Euch keiner Armee. Die Barbaren haben keine Armee. Es ist ein Volk von über zwanzigtausend hungrigen Mäulern. Sie gieren nach Essen und nach Blut. Sie sind schlimmer als jeder Soldat, der sich einem stellen kann. Sie dienen keinem König, sie kämpfen nicht für Geld, sie töten und essen im Blutrausch - sie sind Berserker. Keiner von ihnen ist auf der Suche nach Schätzen oder neuem Land. Sie werden vorangetrieben von Hunger und fressen sich durch die Städte wie ein Wurm durch einen Korb voll Äpfel.«
    Mogda zögerte etwas. Wenn König Arbalosch versucht haben sollte, ihm Mut zuzusprechen, hoffte er, der König würde dies nicht noch einmal versuchen. Zwanzigtausend blieben zwanzigtausend, egal ob es nun Krieger oder alte Frauen waren.
    »Ich kann auch kein ganzes Volk töten«, erwiderte Mogda.
    »Ihr hört nicht zu«, fuhr Arbalosch ihn an. »Ihr werdet zu Suul gehen. Sie wird nicht behandelt wie eine Königin. Sie wird verehrt wie eine Göttin. Und wie es sich für eine Göttin geziemt, umgibt sie sich nicht mit ihrem Volk. Sie lebt mit sieben blinden Riesen zusammen in Bleichenstadt. Niemand ihres Volkes würde es wagen, dorthinzugehen.«
    Der König schlug mit dem Hammerstiel auf den Boden.
    »Eure Audienz ist beendet«, sagte er. »Ich bin müde. Alle weiteren Fragen wird Euch Maester Trumbadin beantworten. Beim nächsten Neumond werdet ihr aufbrechen. Der Maester kann Euch begleiten, wenn er will. Seine Dienste werden fortan nicht mehr benötigt, wenn das Schicksal uns wohlgesonnen ist.«

37
Der Baum Mystraloon

    »Komm hier rüber«, hörte Cindiel den heiseren Ruf von Hagrim.
    Der Geschichtenerzähler hockte in einem dichten Gestrüpp aus Efeu und Lorbeer, das sich zwischen zwei mächtigen Buchenstämmen erstreckte. Sein Versteck hatte er mit Bedacht gewählt, genau wie sonst die Etablissements, die er in Osberg besuchte. Was die Vergnügungen anging, denen Hagrim während der späten Abendstunden in der Stadt frönte, konnte Cindiel seinen Geschmack nicht teilen, doch die Auswahl seines Versteckes schien wesentlich viel versprechender als die ihre. Sosehr sie sich auch über die neuen Kleidungsstücke aus Sandleg gefreut hatte, im Moment wären ihr die braune Hose und das helle Wams des Stallburschen lieber gewesen. Egal, wie gut ein Versteck war - wenn man aussah wie ein schillernder Vogel, musste man damit

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