Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
erlegtes Vieh in der halb offenen Schneehöhle ab. Dann grub er das Fell aus dem Schnee und warf es Gelp hin.
»Haus aus Schnee nicht gut. Schnell kaputt. Lieber ziehen an Mantel. Haben Holz für Feuer?«
»Ich habe es neben den Eingang gelegt«, erklärte Gelp mit zittriger Stimme.
Rator schob mit dem Fuß den Schnee beiseite. »Du lange weg für wenig Holz. Du lange denken schlechten Plan.« Er stieß das trockne Geäst zu Gelp hinüber. »Machen Feuer«, befahl Rator.
Trotz seiner offensichtlichen Schmerzen stapelte der junge Krieger das Holz auf, riss einen Leinenfetzen von seinem Hemd ab und holte einen Feuerstein hervor. Aus dem Stoff zupfte er einzelne Fäden heraus und zwirbelte sie zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen. »Ich brauche meinen Dolch«, bat Gelp und hielt Rator den ausgestreckten Arm hin. Rator kam der Bitte nach und warf ihm das kaum einen Fuß lange Messer hin. Den Feuerstein in der einen Hand haltend, schlug Gelp die stumpfe Seite des Dolches von oben herab dagegen. Kleine Funken schlugen auf die Leinenfäden und entzündeten den Stoff. Gelp verteilte den Zunder unter den Ästen, und schon nach wenigen Augenblicken prasselte ein gemütliches Feuer.
»Es wird nicht lange halten«, sagte Gelp. »Wir brauchen mehr Holz.«
»Wir nicht lange bleiben. Wir weiterziehen bald.«
Rator hockte sich vor die wärmenden Flammen und rieb seine Hände darüber. »Legen Klinge in Feuer«, sagte Rator. »Müssen glühen.«
Gelp tat, wie ihm aufgetragen wurde. Rator drehte sich zur Seite und zog sein blutiges Hemd aus der Hose. Die vier Einstiche, die Gelp ihm beigebracht hatte, saßen alle dicht beieinander. Mit jedem Herzschlag des Ogers quoll Blut daraus hervor. Rator drehte Gelp vorwurfsvoll die Seite hin.
»Brennen aus mit Klinge«, grollte er. »Glühende Klinge pressen auf Wunde, bis riechen nach Essen. Dann wieder in Feuer, bis heiß.«
Gelp wusste, wie man Wunden ausbrannte. Jedoch hatte man ihm dies nur bei verletzten Tieren beigebracht, um die Blutung zu stillen. Eines der wenigen Rinder, die sein Stamm besaß, hatte sich damals einen spitzen Ast durch die Vorderflanke gebohrt. Zwei andere Männer und er mussten die Wunde ausbrennen. Er konnte sich noch genau daran erinnern, mit welcher Gewalt das Tier versucht hatte, sich loszureißen, und um sich trat, als sie das glühende Metall in die Wunde drückten. Er hoffte nur, dass der Oger nicht so heftig reagierte.
Als Gelp die glühende Klinge aus den Flammen zog - seine Hand geschützt durch den Fäustling aus Leder -, legte der Oger ihm die Hand auf den Fuß und umklammerte das Gelenk mit festem Druck.
»Dolch nicht lang genug für töten Oger«, wiederholte Rator.
Die Drohung war einfach und unmissverständlich. Selbst wenn Gelp es wagen würde, Rator das Messer erneut in den Leib zu stoßen, würde sich der Oger rächen, ob mit tödlicher Wunde oder ohne. Mit dem gebrochenen Knie war Gelp ohnehin seinem Peiniger ausgeliefert.
Mit einem zischenden Geräusch presste Gelp die rot glühende Klinge gegen die Stichwunde. Nicht das kleinste Zucken fuhr durch den Körper des Ogers. Nicht einmal ein Stöhnen war zu hören. Zuerst roch es nur nach verbrannten Haaren, doch dann stieg der Geruch von verkohltem Fleisch auf. Die Hitze der Klinge hielt nicht lange an, aber es reichte, um die Wunde zu schließen. Erneut steckte Gelp die Waffe ins Feuer. Niemand, den er kannte, hätte diesen Schmerz lautlos ertragen.
Es war wie ein Wettstreit. Gelp ließ die Klinge jedes Mal heißer werden und presste sie dann stärker gegen die nächste Wunde, nur um zu sehen, ob der Oger irgendwann eine Reaktion von sich gab.
Rator bemerkte den Eifer des Jungen, wollte ihm aber die Genugtuung eines Schmerzensschreis nicht geben. Es war nicht seine erste Wunde, die ausgebrannt werden musste, und es würde auch nicht die Letzte sein. Eines war jedoch sicher, Schreie machten es nicht besser.
Nachdem Gelp die letzte Stichwunde behandelt hatte, reichte er Rator den Dolch, als ob dieser der Preis für die stumme Erduldung der Schmerzen war. Rator stach die Waffe mehrmals in den Schnee, um sie zu säubern, dann steckte er sie zurück in seinen Gürtel. Schließlich drehte er sich wieder zu Gelp um und schaute auf das verdrehte Bein des Jungen.
»Bein nicht gut für gehen«, brummte Rator. »Du sterben, wenn bleiben hier.«
»Sie werden mich finden und mir helfen«, entgegnete Gelp. »Wenn sie mich in Sicherheit gebracht haben, werden sie dich weiterjagen und
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