Blutiges Echo (German Edition)
Fernsehkrimis. Das ist alles Science-Fiction.«
»Aber überleg doch mal. Mein Leben, meine Gabe, wenn du so willst – im Prinzip ist das auch ziemliche Science-Fiction.«
»Ich verstehe, was du meinst. Aber es war großartig, dem Wichser eins auszuwischen, Harry. Versteh doch, er hat meinen Dad umgebracht. Und dieses kleine Schild war der Oberhammer. WIR WISSEN BESCHEID.«
»Du hast ein super Schild gebastelt, keine Frage. Künstlerisch sehr anspruchsvoll. Aber für mich sind die Aussichten immer noch nicht besonders rosig. Ich kann nicht mal zurück in meine Wohnung. Ich hab Angst, dass ich beim nächsten Mal derjenige bin, der von der Lampe baumelt. Die suchen immer noch nach mir, um mich entweder mehr oder weniger legal oder in irgendeiner dunklen Gasse fertigzumachen. Am Ende läuft alles auf dasselbe raus. Ich werde dieses Jahr keine Weihnachtsgeschenke besorgen müssen.«
»Tut mir leid, Harry. Ich freue mich einfach nur über meinen kleinen Racheakt. Aber natürlich ist es noch nicht vorbei, mein Liebster. Wir müssen weiter nachdenken. Irgendwie müssen wir es schaffen, ihnen das Ganze anzuhängen. Und zwar müssen wir es so schlau anstellen, dass sie nicht mitkriegen, dass Tad und ich mit dir unter einer Decke stecken. Bisher wissen sie nicht, dass du Verbündete hast. Sie wissen nicht mal, dass sie hier nach dir suchen müssen, und ich bin auf dem Weg hierher immer vorsichtig. Ich nehme mein eigenes Auto und parke hinterm Haus. Ich kann sogar leiser vögeln, wenn es sein muss.«
»Das will ich nicht.«
»Vielleicht aber Tad.«
»Der schläft am anderen Ende vom Flur. Hör mal, Kayla. Ich hab irgendwie ein schlechtes Gefühl. Du weißt schon, mein innerer Radar, der mir sagt, dass ich am Arsch bin. Und du und Tad vielleicht auch. Als würden wir uns zu schlau anstellen und dabei auf die Schnauze fallen.«
Kayla rieb ihm über die Brust, dann ließ sie die Hand tiefer gleiten. Ihr Parfüm stieg Harry in die Nase. Großer Gott, dieser süße, moschusartige Geruch. Wunderbar.
»Tja«, sagte sie, »für den Fall, dass es schlecht ausgeht – wie wär’s, wenn wir so glücklich wie möglich abtreten?«
Kapitel 56
Zwei Tage später saßen Harry und Tad gegen Mitternacht am Wohnzimmertisch und spielten Schach. Bisher hatte Tad Harry zweimal in die Tasche gesteckt und den Großteil der Nachos vernichtet, indem er die Tüte zu sich gedreht und Harry gezwungen hatte, sich jeden einzelnen Chip, den er abhaben wollte, erst zu verdienen.
»Du brauchst wirklich mehr Übung«, sagte Tad.
»Im Schach oder im Nachos Erbeuten?«
»Beides.«
»Ich bin mit den Gedanken woanders.«
»Trotzdem brauchst du mehr Übung. Der Springer – oder das Pferd, wie du ihn nennst – wird nicht diagonal gezogen, verdammt noch mal. Das hab ich dir schon tausendmal gesagt. Und lass ihn mit der Schnauze zu meinen Männern zeigen, nicht zurück zu dir. Das ist verwirrend. Es sieht aus, als würde er nach hinten reiten.«
»Tad, auf dem Pferd sitzt kein Reiter. Es ist nur ein Pferdekopf.«
»Hast du denn gar keine Phantasie?«
»Nicht so viel.«
Tad drehte den Springer herum, sodass er in die richtige Richtung schaute.
»Bist du jetzt zufrieden?«, fragte Harry.
»Wie im siebten Himmel. Hör mal, der einzige Zeitpunkt, über den du eine Aussage treffen kannst, ist der jetzige. Natürlich plant man voraus. Man trifft gewisse Vorkehrungen, aber in der Zwischenzeit kannst du nicht mehr tun, als so gut wie möglich zu leben.«
»Ist das jetzt eine Lektion des Meisters?«
»Ja, Grashüpfer.«
»Willst du damit sagen, dass das Leben vorherbestimmt ist?«
»Nein. Das ist Quatsch. Wenn ich Leute so was sagen höre, frage ich sie immer: ›Sag mal, schaust du nach rechts und links, bevor du über die Straße gehst?‹ Und dann sagen sie: ›Na klar. Ich will doch nicht überfahren werden.‹ Und dann sage ich: ›Aber wenn doch alles vorherbestimmt ist? Wozu die Mühe, wenn dein Schicksal ohnehin schon feststeht?‹ So viel zum Thema Vorherbestimmung. Wir haben alle einen Joker für den Notfall in uns, und den ziehen wir, wenn wir ihn brauchen. Man kann mit den Karten schummeln und tricksen, Harry. Mal besser, mal schlechter. Am Ende ist das Spiel für jeden vorbei, aber bis dahin kann man immer mal wieder einen satten Gewinn einstreichen.«
Bevor Harry zu einer Antwort ansetzen konnte, klingelte sein Handy.
Es war Kayla. Ihre Stimme klang rau. »Komm zu mir.«
»Bist du nicht bei der Arbeit?«
»Ich bin zu Hause.«
Harry
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