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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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schien er in Sicherheit zu sein, solange er auf der Straße blieb. Er hatte nie eins seiner Erlebnisse gehabt, während er einfach nur die Straße entlanggefahren war, doch möglich war alles. Vielleicht holperte er über ein Schlagloch, wo mal ein Reifen drübergerumpelt und geplatzt war, woraufhin das Auto von der Straße abgekommen war. Wenn das irgendwem genug Angst eingejagt hatte, dann war es eventuell aufgezeichnet worden, weil sich die Umgebung wie ein Schwamm verhielt, wenn es um Angst ging; sie saugte sie auf und hielt sie in sich.
    Und er wrang sie wieder heraus.
    Himmel, hatte irgendwo auf der Welt noch jemand so ein Problem?
    Er konnte doch nicht der Einzige sein.
    Er fuhr auf das Campusgelände und fand einen Parkplatz. Als er ausstieg, warf er sich seinen Rucksack über die Schulter, schloss den Wagen ab und ging los, wobei er die ganze Zeit darauf achtete, den »Stellen« auszuweichen – zumindest denen, die er kannte.
    Er nahm immer dieselbe Route, und er wusste, dass sie sauber war. Er hatte sie sorgfältig ausgetüftelt und folgte ihr seit Wochen, und nichts war ihm aus den Gebäuden oder vom Bürgersteig entgegengesprungen.
    Beim Gehen vermied er es, irgendetwas zu berühren.
    So war er auf der sicheren Seite.
    Deswegen war er an diesem Mittwochmorgen auch so sauer. Der Weg, den er normalerweise nahm, war ihm verstellt.
    Eine Baustelle. Der Bürgersteig war aufgerissen worden, drumherum war alles abgesperrt, und breitschultrige, kräftige Männer bearbeiteten den Asphalt mit Presslufthämmern und anderem Werkzeug.
    Einen Augenblick lang stand Harry einfach nur da und riss die Augen auf.
    Blockiert.
    Ich kann meine Route nicht nehmen.
    Scheiße.
    Er ließ sich alles Mögliche durch den Kopf gehen, fand aber keine Lösung.
    Zum Beispiel konnte er versuchen, unter den Holzabsperrungen durchzukriechen und sich zwischen den Bauarbeitern hindurchzuschlängeln.
    Das würde wohl nicht klappen. So wurde er höchstens selbst Opfer einer Gewalttat, auch wenn das seiner Einschätzung nach noch leichter zu verkraften war. Man sah nicht, was mit einem selbst passierte, man spürte es nur. Was ihm den Verstand raubte, war der Anblick dieser Gesichter, das Gefühl ihrer nackten Angst.
    Er ließ seinen Rucksack von den Schultern auf die Erde gleiten, holte das Notizbuch aus seiner Gesäßtasche und schaute nach.
    Also gut. Er konnte nach links abbiegen und diese ganze Chose umgehen, doch den Bereich kannte er nicht. Höchstwahrscheinlich war er sauber, wie ein Großteil des Geländes. Keine Überraschungen.
    Aber man konnte nie wissen. Es war immer ein Risiko.
    Verdammt noch mal, sagte er sich, du sitzt ständig in irgendwelchen Kneipen rum, und da geht es viel schlimmer zu als auf einem Campus.
    Aber da gibt es Bier. Wenn ich genug davon intus habe, ist alles Ordnung.
    Es wäre einfacher, für heute alles abzublasen, ein Zwölferpack Bier zu kaufen und es sich damit zu Hause im Dunkeln in dem sicheren Zimmer mit den Pappen und Eierkartons an den Wänden bequem zu machen.
    Im Gebüsch auf der rechten Seite hatte eine Vergewaltigung stattgefunden. Das hatte er erfahren, als er einmal im Vorbeigehen gedankenverloren mit den Händen durch die Zweige gestreift war. Sonnenschein hatte sich in finstere Nacht verwandelt, und er hatte alles gesehen, ihre Hand, die sich in die Zweige krallte. Wahrscheinlich war das Mädchen gerade aus der Bibliothek gekommen. Irgendeiner ihrer Bekannten fand, sie sei ihm was schuldig, und beschloss, es sich zu nehmen.
    Harry hatte nie einen Nachweis gefunden, dass es gemeldet worden wäre.
    Der Kerl war damit durchgekommen.
    Wichser.
    So wie sie angezogen waren – oder halb angezogen –, lag es schon lange zurück. Vielleicht in den Siebzigern. Möglicherweise hatte sie es nie jemandem erzählt. Möglicherweise hatte der Kerl damit geprahlt. Hatte es wieder getan.
    Bloß nicht darüber nachdenken.
    Nicht jetzt.
    Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Es ist nicht mal deine eigene Vergangenheit.
    Er betrachtete seine Aufzeichnungen eine Weile und plante eine Strecke entlang einiger ungefährlicher Punkte. Das Problem war, dass er über unerforschtes Gebiet gehen musste, um zu diesen bekanntermaßen sauberen Stellen zu gelangen. Unterwegs konnte alles Mögliche passieren.
    Er steckte das Notizbuch ein, griff nach seinem Rucksack und bog nach links ab.

Kapitel 17
    Harry setzte sich an seinen Tisch und schrieb:
    Tad, ich trinke nichts.
    Im Moment.
    Gestern Abend habe ich auch nichts

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