Blutiges Gold
müssten es alle anderen auch sein.«
39
Las Vegas
4. November
Morgens
Der Pfleger streckte den Kopf durch eine der breiten Krankenhaustüren, die der einzige Hinweis darauf waren, dass Timothy Seton sich nicht in einem kleinen, teuren Hotel aufhielt. Die Bateman-Molonari-Klinik für Schönheitschirurgie war ein ganz exklusiver Ort. Und sehr diskret. Besonders, wenn ihr normaler Tarif verdreifacht wurde.
Miranda Seton wäre ein richtiges Krankenhaus lieber gewesen, aber Tims Vater hatte ihr kurz angebunden erklärt, dass richtige Krankenhäuser verpflichtet seien, richtige Schusswunden der richtigen Polizei zu melden.
»Ihr Sohn ist gerade aufgewacht«, sagte der Pfleger in beruhigendem Ton zu Miranda. »Sie können mit ihm sprechen, sobald der Arzt gegangen ist, aber nur für ein paar Minuten.«
Miranda flüsterte ein Dankgebet an einen Gott, an den sie aufgehört hatte zu glauben, als sie merkte, dass ein Mann sie geschwängert hatte, von dem sie nicht wusste, dass er verheiratet war. Ein Mann, der nicht nur töten konnte, sondern es auch tat. Ihre dünnen, zerbrechlich wirkenden Hände falteten sich zum Gebet. Sie waren bleich, von der blutenden Nagelhaut abgesehen, an der sie unaufhörlich und ohne es zu merken herumpickte.
Sobald der Pfleger die Tür hinter sich geschlossen hatte, öffnete Miranda ihre Handtasche, nahm einen ordentlichen Schluck aus der Wodkaflasche, die bereits zur Neige ging, und steckte sich ein extrascharfes Pfefferminzbonbon in den Mund. So gestärkt, rappelte sie sich auf und eilte durch den grün ausgelegten Flur zu Tims Zimmer. Perfekt gerahmte Fotos von perfekt modellierten Gesichtern lächelten von den cremefarbenen Wänden auf perfekte Weise auf sie herab.
Die Tür hatte eine Nummer aus Messing wie ein Hotelzimmer. Und das Zimmer war wie in einem Hotel einladend und unaufdringlich, mit gerahmten Drucken von Impressionisten in sanften Farben und mit vielen Kissen auf den Möbeln. Das einzig Irritierende war der Patient, der auf blassrosa Laken lag und an dem Monitore, diverse Apparaturen und Schläuche angeschlossen waren, über die Miranda lieber nicht nachdachte.
Er sah noch schlechter aus in dem Moment, als er blutüberströmt in ihrer Küche gelegen hatte.
Am liebsten wäre sie sofort zu ihm geeilt und hätte ihn umarmt, aber das tat sie nicht. Ihre Anweisungen waren ganz klar: Sie musste herausfinden, wer auf Tim geschossen hatte. Sobald sie das wusste, würde es Rache geben.
»Oh, Timmy«, sagte sie mit gepresster Stimme.
Er grunzte und hielt die Augen geschlossen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war seine Mutter, die wie ein aufgescheuchtes Huhn um ihn herumflatterte.
»Wer hat dir das angetan? Cherelle?«
Seine Lider öffneten sich und blieben dann halb geschlossen stehen. Sogar das gedämpfte, beruhigende Licht konnte er kaum ertragen. Sprechen konnte er nur mit großer Anstrengung, aber er probierte es. Wenn er seinem alten Kumpel irgendwie die Pest an den Hals jagen konnte, würde er es mit Freuden tun.
»Sock…«, brachte Tim mühsam und unter Schmerzen hervor.
»Es tut mir so leid, dass ich dir keine mitgebracht habe. Hast du kalte Füße? Vielleicht hat eine der Schwestern irgendeine Wärmflasche oder so etwas.«
Langsam und mit großer Anstrengung bewegte Tim seinen Kopf von einer Seite auf die andere. »Socks. Auf mich geschossen.«
Sie zögerte. »Socks? Dein Freund hat auf dich geschossen?«
»… ja.«
»Warum?«
Tim atmete mehrmals mühsam ein und aus. Er war nicht sicher, was die richtige Antwort war. »Weiß nicht.« Er schwieg, schluckte. »Gold, glaub ich.«
»Was für ein Gold?«
Er gab ihr keine Antwort. Es war zu anstrengend, es zu erklären. Es gab nur einen einzigen Grund, weshalb er die Mühen und Schmerzen zu sprechen auf sich nahm: Socks sollte nicht ungeschoren davonkommen. »Er heißt – Cesar.«
»Ein anderer Mann?«
» Socks .« Das Wort war ein verzweifeltes Aushauchen.
»Du meinst, Socks’ richtiger Name ist Cesar?«
Ein Stöhnen, das Zustimmung bedeuten könnte, war Tims einzige Antwort. Dann stöhnte er noch einmal. »Hab ihn umgelegt.«
»Socks?«
»Cline. Will nicht ins Gefängnis. Nie mehr.«
»Beruhige dich, Timmy. Dein Vater kümmert sich um dich. Er liebt dich.«
Tim hätte gerne gelacht, aber er versuchte vergebens, irgendeine Stelle an seinem Körper zu finden, die ihm nicht fürchterlich wehtat. Er versuchte es immer noch, als ihn die Schwärze wieder überfiel. Er begrüßte sie glücklich
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