Blutiges Gold
stieß. Hier war das gelbe Band vor das Schaufenster eines Ladens gespannt. Mehrere Streifenwagen parkten davor in doppelter Reihe, ebenso ein Krankenwagen. Ein weißer Übertragungswagen mit einer großen Satellitenschüssel auf dem Dach hielt am Randstein vor dem Krankenwagen. Zwei Polizisten in Zivil unterhielten sich mit einem Kameramann und einem Reporter, die sich an den Übertragungswagen lehnten und auf die Gelegenheit warteten, Aufnahmen machen zu können.
Ian ging zu dem Polizisten in Uniform, der den Vordereingang bewachte. »Herzinfarkt?«, fragte er.
Der Polizist schaute ihn abschätzend an. »Wieso interessiert Sie das?«
»Eigentlich gar nicht, wenn es nicht eine dieser beiden Personen betrifft.« Ian holte die beiden Fotos heraus. »Und, was sagen Sie?«
Der Polizist warf einen Blick auf die Fotos. »Warum suchen Sie sie?«
»Es geht um eine Vermisste, unverdächtiges Verschwinden. Hat Mann und Kinder auf der Farm zurückgelassen, um hier in den Casinos ihr Glück zu machen. Ihre Großmutter hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, sie wiederzufinden, was gut für mich ist.« Ian zeigte sein Vertrau-mir-Lächeln. »Das deckt schon mal meine Miete ab. Und dieser Bursche könnte vielleicht ihr letzter Lebenspartner sein.«
Der Polizist schaute sich die Fotos noch einmal genauer an. »Dieses Viertel hier ist mein Revier. Ich kenne alle Gauner und Trinker und auch den Rest der Leute. Aber die beiden auf dem Foto kenne ich nicht.«
»Jedenfalls vielen Dank. Ich probier’s dann mal die Straße rauf und runter, vielleicht hab ich ja Glück.«
Das Rattern einer fahrbaren Bahre kündigte das Ambulanzteam schon ein paar Sekunden vor seinem Erscheinen an. Als sie ins grelle Sonnenlicht gerollt wurde, sah man einen dunklen Leichensack, der auf die dünne Matratze mit dem weißen Leintuch geschnallt war. Aus den Bewegungen des Leichensacks war zu schließen, dass das Problem der Leichenstarre nicht mehr bestand.
»Hey, warten Sie!«, rief der Kameramann und eilte zu dem Team. »Geht wieder zurück und kommt noch mal aus dem Haus raus, okay?«
Einer der Detectives rief dem Kameramann hinterher: »Denkt ihr vielleicht, in Vegas interessiert sich irgendein Schwein für so einen Dreck wie Joey Cline?«
»Ist doch ’ne Leiche, oder?«, sagte der Kameramann. »Geben Sie uns eine Minute Zeit und machen Sie das Ganze noch mal.«
Das Ambulanzteam zuckte gleichmütig die Achseln. Ihrem Patienten konnte es schließlich egal sein. »Okay, machen wir. Der Kerl ist schon einen ganzen Tag tot, da spielen ein paar Minuten keine Rolle.«
Ian wartete nahe beim Übertragungswagen und hoffte, etwas Brauchbares mitzubekommen. Aber damit hatte er Pech.
Es hatte sich eine ganze Menge von Menschen versammelt, als das Ambulanzteam mit der Bahre zum dritten Mal für den »Livefilm um sechs Uhr« aus dem Haus kam. Der Live-Reporter überprüfte noch einmal seinen blonden Haarschopf, zog Jackett und Krawatte zurecht, stellte sich vor die Tür des Pfandhauses und begann ebenfalls zum dritten Mal, seinen Bericht ins Mikrofon zu sprechen. Einer der Kriminalbeamten stand rechts neben ihm, sodass er der Kamera nicht die Sicht auf die Szene und den Reporter nahm.
»Livefilm um sechs Uhr, ich bin Ralph Metcalfe. Wir stehen hier am Schauplatz eines brutalen Mordes, nur ein paar Ecken vom Glitter-Gulch -Nachtclub entfernt. Der Polizei zufolge wurde Joseph Cline im hinteren Teil seines Ladens in einer Lache seines eigenen Blutes liegend aufgefunden. Weitere Blutspuren deuten darauf hin, dass noch ein zweiter Mann, möglicherweise handelt es sich um den Angreifer, auf dem Boden lag. Der Aufenthaltsort dieses zweiten Mannes ist unbekannt.« Der Reporter wandte sein Gesicht dem Kriminalbeamten zu. »Detective Yarrow, hat das Las Vegas Police Department bereits irgendwelche Hinweise auf die Hintergründe dieses blutigen und brutalen Mordes?«
Ian war bereits um die Ecke gebogen und außer Hörweite, als der Detective seine Chance auf fünfzehn Sekunden Berühmtheit erhielt. Sobald Ian sicher war, dass er sich, ohne offizielle Aufmerksamkeit zu erregen, entfernt hatte, übermittelte er das Ergebnis seiner Ermittlungen sowohl an Rarities als auch an Shane. Dann lief er, für den Fall, dass der Polizist seine Angaben nachprüfte, die ganze Straße ab und zeigte in jedem Laden seine beiden Fotos vor und stellte ernsthafte Fragen. Niemand erkannte Cherelle oder Socks.
Ian schlenderte die Seitenstraße hinunter und wechselte zu der
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