Blutiges Gold
Großzügigkeit hatte Cherelle gar nicht verdient. Aber das behielt er für sich, denn er wollte Risas Unglück nicht noch vermehren.
Sie bewegte sich in ihrem Sitz und fuhr sich mit den Fingern durch das kurze schwarze Haar. »Verdammt, ich hasse es, nicht Bescheid zu wissen. Immer nur überlegen. Warten. Sie könnte verletzt sein.«
»Es ist viel wahrscheinlicher, dass das Blut auf dem Boden des Pfandhauses von dem Nichtsnutz Tim stammt.«
Risa wusste, dass Shane recht hatte. Nur fühlte sie sich dadurch um keinen Deut besser.
»Also los«, sagte Shane. »Schauen wir nach, ob Shapiro zu Hause ist.«
»Auf dem Schild steht ›Geschlossen‹.«
»Shapiro hat seine Wohnung direkt über dem Laden.«
»Woher weißt du das?«
»Das möchtest du lieber nicht wissen«, gab er zurück und erinnerte sich des wundervollen Maya-Kunstwerks aus Gold, das er Shapiro in dessen Wohnung abgekauft hatte. Nach Stunden, natürlich. Shapiro hatte damals das Geschäft seines Lebens gemacht.
»Bist du sicher, dass ich es nicht wissen will?«
»Ja.«
Risa fragte nicht weiter und folgte ihm zu dem Laden, der mitten in der Hauptgeschäftszeit geschlossen war.
Immer wieder prüfend, ob sie jemand beobachtete, schlenderte Shane an dem Laden vorbei und um die Ecke. Dann bog er in die Gasse, in der volle Mülltonnen standen, die auf die Leerung warteten. In der Gasse gab es einen Laden mit Secondhandkleidung, einen mit gebrauchten Möbeln, einen Flickschuster und außerdem zwei Cafés und einen Schnellimbiss. Der Gestank der Mülltonnen zog Wolken von Fliegen an.
Shane steckte seine rechte Hand in die Jacketttasche, um keine Spuren zu hinterlassen, als er so an der Hintertür von Shapiros Leih- und Pfandhaus probierte. Sie war nicht abgeschlossen. Er stieß sie auf, schob Risa hinein und schloss die Tür wieder. Stimmen waren von irgendwo über ihnen zu hören.
Der Gestank war hier drinnen nicht besser. Eher das Gegenteil.
»Scheiße«, sagte Shane sehr leise. »Bleib hier.«
»Aber …« Ihre Einwände blieben ihr im Hals stecken, als sie die Pistole in seiner Hand sah.
Die Treppenstufen waren mit Linoleum bedeckt, das bis auf die schwarze Unterlage und weiter bis zu den Holzbrettern darunter durchgelaufen war. Er ging vorsichtig die Treppe hinauf, wobei er seine Schritte dorthin lenkte, wo die Stufen am wenigsten zu knarren versprachen.
Shapiro war vor dem Fernseher, eine leere Flasche teurer Bourbon lag neben ihm auf der Couch. Die Schauspieler der nachmittäglichen Soapopera tummelten sich taktvoll unter den Laken. Als ihre choreografierten Lustschreie verklangen, wurde Werbung für Zahnpasta eingeblendet. Shapiro gab keine Regung von sich.
Shane dachte, der Mann sei tot. Das würde jedenfalls den Gestank erklären. Dann hörte er leise Schnarchlaute und merkte, dass Shapiro nicht leblos war. Aber fast.
Er war vollkommen besoffen, so sehr, dass er in die Hosen gemacht hatte wie ein Baby.
45
Las Vegas
4. November
Am späten Nachmittag
Shanes Büro war angenehm temperiert, edel möbliert und die Luft war frisch und rein – eine Offenbarung nach all den Stunden, die sie in den staubigen Straßen und öden Gassen von Las Vegas verbracht hatten.
Risa hatte ihren Kopf an die meergrüne Ledercouch gelehnt und versuchte krampfhaft, sich keine Sorgen um Cherelle zu machen.
»Bis jetzt«, sagte Shane zu Ian und Niall, »haben wir einen toten Hehler, und er ist für uns der Einzige, auf den es ankommt. Von ihm aus ist das Gold ins System gekommen. Wir gehen davon aus, dass es von Cline zu Shapiro ging, können es aber nicht beweisen, weil Shapiro behauptet, sein Computer sei abgestürzt und habe dabei alle Daten gelöscht – und deshalb habe er sich betrunken.«
»Glauben Sie ihm das?«, fragte Niall.
Shane lachte nur.
»Soll ich ihm ein bisschen auf die Sprünge helfen?«, fragte Ian.
»Wenn wir es aus Shapiro nicht herausprügeln …«
»Dana ist gegen solche Methoden«, wurde Shane von Niall unterbrochen.
»… kommen wir nicht weiter. Wie Covington ist er unangreifbar, er hat Anwälte und kennt die Tricks«, setzte Shane seinen Satz fort.
»Vergessen Sie nicht Frank Firenze«, warf Ian ein.
»War er es, der uns in dem roten Wagen gefolgt ist?«, fragte Risa.
»Ja. Als ich seinen Namen herausgefunden hatte, folgte er Ihnen nicht mehr. Ich rief ihn an und fragte ihn, warum er Ihnen gefolgt sei. Er wusste angeblich nicht, wovon ich sprach, sein Auto sei in der Werkstatt gewesen und auch in Zukunft würde er Ihnen
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