Blutiges Gold
Der Junge, dem sie eins verpasst hatte, war der Sohn des Bezirkssheriffs. Wenn das nicht passiert wäre, wäre sie vielleicht vernünftig geworden, und …« Risas Stimme erstarb.
Eine Weile hörte man nur das Poltern und Knirschen der Reifen auf der unbefestigten, holperigen Straße.
»Machst du dich wirklich für die Entscheidungen verantwortlich, die Cherelle heute für sich trifft?«, fragte Shane schließlich.
»Mein Verstand nicht. Meine Gefühle …« Risa zuckte ratlos mit den Schultern und versuchte zu erklären, worüber sie selten nachdachte. »Sie war für mich Mutter, Schwester und Freundin in einem.«
»Ist sie immer noch das gleiche Mädchen, das du vor fünfzehn Jahren gekannt hast?«, fragte er.
Risa wollte Ja sagen. Aber sie konnte es nicht. »Manchmal. Nur manchmal.«
»Das sind die Zeiten, die wirklich wehtun.«
Sie schloss ihre Augen für einen Augenblick. »Woher weißt du das?«
»Ich habe meinen Teil an fünfzehn Jahre altem Bedauern. Aber es ändert kein verdammtes bisschen was an der Welt von heute.«
»Dein Vater?«
»Und meine Mutter. Ich wollte, dass sie mich lieben, so wie ich sie liebte. Aber bei meinem Vater habe ich aufgegeben, als ich noch keine zehn war. Es hat viel länger gedauert, bis ich erkannte, was meine Mutter für mich war und was nicht.«
Sogar jetzt noch hatte Shane Mühe, darüber zu sprechen und darüber nachzudenken. Bis vor wenigen Jahren hatte er seinen Vater für alles verantwortlich gemacht, mit der pauschalen Verachtung, die der Hilflosigkeit und Wut des kleinen Jungen entsprungen war. »Sie hat mich nie vor ihm in Schutz genommen, selbst dann nicht, als ich noch zu klein war, um es selbst zu tun. Gerade dann. Sie hat immer nur die Hände gerungen und Napfkuchen gebacken. Herrje. Bis heute kann ich Napfkuchen nicht ausstehen.«
Risa bedauerte den Jungen, der er gewesen war. »Hat dein Vater dich geschlagen?«
»So primitiv war er nicht. Der verdammte Merit ist kein primitiver Mann. Er hat mir systematisch alles Selbstbewusstsein genommen, Stück für Stück. War nicht gegen mich gerichtet. Das macht er mit jedem Menschen, der lange genug um ihn herum ist.«
Risa stieß einen langen Atemzug aus. »Und ich dachte, er hätte bloß eine schlechte Presse.«
Shane lächelte. »Der Mann gibt jedes Jahr mehr als zwei Milliarden Dollar für verschiedene zu Tränen rührende Zwecke aus. Das hat seine Presse erheblich verbessert. Es war die Idee meiner Mutter, nebenbei gesagt. Es hat ihr nicht gefallen, dass ihr Mann den Ruf des größten Scheißkerls seit Nero hatte.«
»Was sind wir doch für ein Paar«, meinte Risa. »Ich habe mir immer eine Familie gewünscht, und du wolltest deine so schnell wie möglich loswerden.«
»Ich habe dir gesagt, ich bin in Beziehungen nicht gut.«
»Woher willst du das wissen?«
»Das erzählt mir meine Mutter jedes Mal, wenn wir uns sehen und ich es wieder abgelehnt habe, mich mit meinem netten Alten zu versöhnen.«
»Ja, dann ist es natürlich klar. Es besteht keine Hoffnung mehr für dich. Deine Mutter muss es schließlich wissen, sie ist schließlich so eine fantastische Expertin, was gesunde Beziehungen anbelangt.«
Stille. Dann ein Laut, der nicht nach einem Lachen klang. »So hab ich das noch nie betrachtet«, musste Shane zugeben.
»Auch nicht als Erwachsener?«
»Nein.«
»Wenn ich kann, vermeide ich es, Cherelle aus der erwachsenen Perspektive zu betrachten, wann immer möglich.«
Er zögerte. »Das könnte aber gefährlich sein.«
»Das habe ich gemerkt, als ich im Casino Hindernislauf geübt habe. Aber …«
»Aber Cherelle hat trotzdem deinen Arsch gerettet, als du fünfzehn warst.«
»Ja.«
Shane konnte sich das alles nur zu gut vorstellen, inklusive des Teils, über den Risa nicht so gerne sprach. »Hast du dir jemals überlegt, dass es vielleicht nie nötig geworden wäre, deinen Arsch zu retten, wenn Cherelle nicht auf dem Hintersitz mit einem Jungen rumgevögelt hätte, während der Sohn des Sheriffs mit dem Auto durch die Nacht gebrettert ist, Bier getrunken hat und all dem Gestöhne von hinten zuhören musste?«
Risa antwortete nicht, was Shane so auffasste, dass sie seiner Annahme zustimmte.
»Eines Tages«, sagte er, »kannst du es vielleicht so sehen, dass Cherelle und du einen ganz unterschiedlichen Lebenslauf genommen habt, weil ihr vom gleichen Ort mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen gestartet seid.«
»Dann bleibt mir von meiner Kindheit nichts als nur Lügen.«
»Nein, du
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