Blutiges Gold
besonders.«
»Ha, ha.« Sie zog sich die Handschuhe über. »Ich nehme nicht an, dass es von allgemeinem Interesse ist, wenn ich sage, dass ich mich wie der letzte Schnüffler fühle, der auf diese Art das Haus eines fremden Mannes durchwühlt.«
»Ich bin auch nicht besonders scharf darauf.«
»Aber du bist schon dabei, es zu tun.«
»Wenn es das Jucken in meinem Nacken beendet, würde ich hier das Oberste zuunterst kehren.«
»Dann würde ich helfen«, gab sie zu.
Risa startete mit ihrer Suche an dem Platz, an dem sie stand. Sie blätterte durch die Bücher mit der Geschwindigkeit und Sorgfalt von jemand, der gewohnt ist, viele eng bedruckte Seiten von Texten und Fotos durchzusehen.
Wie angekündigt, blickte Shane ihr dabei über die Schulter. Die Bücher deckten den ganzen Bereich von Kunstwerken und Schmuck ab, die aus Gold gefertigt waren und wahrscheinlich auf die Keltenkunst zwischen dem Jahr tausend vor bis zum Jahr tausend nach Christus zurückgingen. Viele der Seiten mit Figürchen, Broschen, Torques, Armringen, Messern und Masken hatten Eselsohren. Davon und von den Notizen am Rand, die von großer Verzweiflung zeugten, enthielten die Bücher nichts, was auf Virgil O’Connors Leben schließen ließ.
Im Wohnraum gab es keine Schubladen, Papierkörbe, Kästen oder sonstige Orte, wo Unterlagen aufbewahrt worden sein könnten. Oder verstecktes Gold.
»Gibt es in dem Nebenzimmer einen Schreibtisch?«, fragte sie.
»Nein.«
»Telefon?«
»Nein.«
»Dann geh ich jetzt mal in die Küche.«
Das dauerte nicht lang. Die Küche war noch kleiner als das Schlafzimmer. Das Telefon war ein simples Modell, das an der Wand hing und noch nicht mal eine Kurzwahlfunktion besaß. Auf dem Küchentisch darunter lag eine Menge Rechnungen und Papiere mit der Aufschrift »Wohnungsinhaber« herum. O’Connor führte offenbar kein privates Adressbuch.
»Strom«, sagte Risa und blätterte durch ein wildes Durcheinander von Papieren, die immer weiter in die Vergangenheit zurückreichten. »Telefon. Keine Wasserrechnung, also muss es hier einen Brunnen geben. Keine persönlichen Briefe. Eine Rechnung über die Grundsteuer, bald überfällig. Ein Bankauszug, auf dem dreihundert Dollar und einunddreißig Cent vermerkt sind. Rechnung über einen neuen Fahrradschlauch. Verschiedene Kochrezepte zwischendrin. Das war’s.«
»Keine Kreditkartenrechnung«, ergänzte Shane. »Keine Rechnungen, die mit einem Auto zusammenhängen. Ich frage mich, ob er überhaupt einen Führerschein hatte.«
»Vielleicht hatte er Geschäftliches irgendwo sonst aufbewahrt.«
»Vielleicht«, meinte Shane. »Aber ich habe das Gefühl, dass er alles Wichtige hier aufbewahrte.«
»Ein Gefühl.«
»Ja.«
Sie seufzte und begann, die Küchenschubladen und Regale zu durchsuchen. Damit war sie schnell fertig, weil es nicht viel zu entdecken gab. Nichts davon war brauchbar, wenn man sich nicht dafür interessierte, dass Virgil O’Connor Bohnen und Reis mochte und wohl gelegentlich eine Dose Grapefruitsaft, um etwas Würze in die Ernährung zu bringen. Im Backofen gab es Töpfe und Pfannen und festgebrannte Essensreste. Der Kühlschrank war klein und leer, mit Ausnahme einiger Essiggurken, die in einer trüben Flüssigkeit herumschwammen. Ein mit Gel gefüllter Knieverband und ein Behälter mit Eiswürfeln waren der ganze Inhalt des Eisfachs.
»Ich habe wirklich keine Lust, mich durch seinen Kleiderschrank zu wühlen«, sagte Risa stirnrunzelnd.
»Er besitzt gar keinen. Nur eine Kommode.«
»Oh, gut. Ich bin erleichtert.«
Shane beobachtete sie, als sie das Schlafzimmer betrat, spürte mehr das Zittern, das sie durchfuhr, als dass er es sah, und wartete. Er fragte sich, ob sie ihm inzwischen genug vertraute, um mit ihm zu teilen, was sie ihr Leben lang verstecken wollte.
»O’Connor bewahrte das Gold hier auf«, sagte sie leise.
»Danke.«
Das Lächeln, das sie Shane zuwarf, war beinah traurig. »Zwei Merkwürdige, die zusammen eine Menge ergeben. Oder wie war das?«
52
Sedona
4. November
Nachts
Shane wartete, ob Risa noch etwas sagen würde. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ihr angespannter Körper verriet ihm, in welcher Verfassung sie war. Sein Flüstern drang durch die Dunkelheit wie ein Nachtschatten. »Ist das Gold noch hier?«
»Nein. Aber …« Risa rieb sich über die Gänsehaut auf ihren Armen. »Kannst du es nicht fühlen? Es war hier. Und irgendetwas ist immer noch hier.«
»Ja, ich fühle es auch. Ich habe es nur nicht
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