Blutiges Gold
aus unedlem Metall darunter hätte erkennen können. Auch sah er keine Pickel und kleine Vertiefungen, die bei schlecht gemachten Vergoldungen im Verlauf der Zeit oft zum Vorschein traten, wenn sie sich abnützten.
»Da hat also einer eine Bleifigur mit niedrig legiertem Gold überzogen«, sagte Joey schließlich. »Ziemlicher Schwindel, das.«
Aber er wollte Socks das Figürchen nicht zurückgeben.
»Erzähl das doch von mir aus deiner verdammten Großmutter«, sagte Socks. »Das ist massives Gold.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es eben.«
»Du weißt es eben. Hm. Hm. Kannst du mir mal verraten, seit wann du so ein großer Goldexperte geworden bist?«
Socks hatte auf so etwas gewartet. Das gehörte zum Handel dazu. Und weil er immerhin so schlau war zu wissen, dass Joey viel schlauer war als er, hatte sich Socks seine Argumente bereits im Voraus zurechtgelegt. Er würde sich nicht mit ein paar hundert Dollar für all das Gold und einem freundlichen Klaps auf die Schulter zufriedengeben.
»Wenn du echtes Gold nicht erkennst, ist das dein Problem. Gib’s mir wieder zurück. Shapiro kann echtes Gold erkennen, wenn er es sieht.«
Joeys Finger schlossen sich über dem Figürchen. Shapiro war ein paar kurze Schritte aus der Gosse herausgekommen. Joey verkaufte ihm oft wirklich wertvolles Zeug mit einem kräftigen Aufschlag weiter. Shapiro wiederum verkaufte es an Nance oder Cochran oder sogar an Smith-White, der es nach New York oder Dallas oder L. A. verkaufte, wo es dann in einem der schicken Läden zu einem Zehnfachen oder Hundertfachen dessen im Schaufenster lag, was der Dieb ursprünglich bekommen hatte.
»Jetzt hab dich nicht so«, sagte Joey. »Sag mir lieber, wie viel du meinst, dass Shapiro dir bezahlt, und ich nicht.«
Zufriedenheit breitete sich auf Socks finsterem Gesicht aus und verwandelte es in eine herzlich lächelnde Miene, die seine gelegentlichen Ausbrüche von brutaler Gewalt kaum vorstellbar machte. »Oh, ich glaube, er wird dafür einen Riesen hinlegen.«
»Tausend Dollar für dieses Stück?« Joey hustete. »Mann, du rauchst zu viel Crack.«
»Einen Riesen«, wiederholte Socks.
»›Einen Riesen‹, sagt er«, höhnte Joey. »Du kannst mich mal. Ich geb dir dreihundert, aber nur, weil wir alte Freunde sind.«
Das war dreimal so viel, wie Socks erwartet hatte, aber er hatte bereits nach dem Figürchen gegriffen und konnte die Hand jetzt nicht einfach wieder zurückziehen.
Joey hatte kein solches Problem. Er riss das Figürchen aus der Reichweite seines Gegenübers. »Okay, okay, vierhundert.«
Socks war von dem Betrag so überrascht, dass er kein Wort herausbekam.
»Was sagst du dazu?«, fragte Joey.
Stille breitete sich aus, während der Socks bemüht war, sich an den Gedanken zu gewöhnen, vierhundert Dollar für diesen Mist zu kriegen. Vielleicht hatte Tims Zicke doch mehr Ahnung, als er dachte.
»Mann, du ruinierst mich total«, sagte Joey. »Sechshundert, und keinen einzigen verdammten Cent mehr, und nur, weil wir uns schon so lange kennen, hast du mich verstanden, Cesar?«
Socks nickte.
Das Figürchen verschwand in Joeys Tasche. »Gibt’s noch mehr davon, oder war’s das?«
Socks wollte gerade erklären, dass er über das ganze Gold gesprochen hatte, nicht nur über das eine Stück. Bevor er so dumm sein konnte, machte er den Mund wieder zu und holte ein zweites Figürchen aus dem Rucksack. Dann eine Brosche. Und danach die Armspange.
»Das da ist doppelt so viel wert wie alle anderen Teile«, sagte Socks, der sich daran erinnerte, was Tim zu ihm gesagt hatte.
Joey wollte widersprechen, aber sein Mund war wie ausgetrocknet. Er kannte sich mit antikem Schmuck gut genug aus, um zu wissen, dass die reich verzierte goldene Armspange ein Vermögen einbringen konnte, wenn man Zugang zum richtigen Markt hatte. Er hatte ihn nicht. Smith-White würde sich gar nicht erst die Mühe machen, seine Anrufe zu beantworten. Auch bei Cochran klopfte er meistens vergebens an.
Aber Shapiro könnte es gelingen, zu Cochran durchzudringen.
Vor Joeys Augen tauchte wie ein Traumgebilde die ersehnte Südseekreuzfahrt auf, mit der seine Frau ihn immer nervte. »Zweieinhalb Riesen für alles zusammen.«
Das war mehr Bargeld, als Socks in seinem ganzen Leben auf einmal in der Hand gehalten hatte. Läden auszurauben war ein Geschäft, bei dem man von der Hand in den Mund lebte. Meistens war er zufrieden, wenn er hundert Dollar bekam plus all die Schnapsflaschen, die er nach dem
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