Blutiges Schweigen
fertig sind.«
Sie nickte und ging mit mir hinaus.
Ich verbrachte eine Stunde damit, Liz den Fall zu schildern und ihr jede Einzelheit zu berichten, an die ich mich erinnerte. Sie sagte nicht viel, was die Atmosphäre zwischen uns noch mehr auflud. Wortlos tippte sie alles in ihren Laptop ein und unterbrach mich nur hin und wieder, um mich zu bitten, einen Namen zu buchstabieren oder ein Ereignis zu wiederholen. Das war nicht die Liz, die ich zu kennen geglaubt hatte.
Als wir fertig waren, lehnte sie sich zurück und musterte mich. »Du steckst ziemlich in Schwierigkeiten.«
Ich nickte. »Ich weiß.«
»Wo ist dieser Healy?«
»Im Krankenhaus.«
»Ist er tot?«
»Nein.«
Sie legte die Handflächen auf den Tisch. »Hast du Verhandlungsmasse?«
»Vielleicht.«
»Was ist es?«
Ich erzählte ihr von den Frauen – davon, dass die Sonderkommissionen einen Zusammenhang zwischen ihrem Verschwinden erkannt und die Informationen geheim gehalten hatten.
»Verdammter Mist«, verkündete sie, als ich geendet hatte. Sie fixierte mich mit ihren dunklen Augen und überlegte. Nachdem sie einen Teil ihrer Aufzeichnungen noch einmal gelesen hatte, sah sie mich wieder an. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Na klar.«
Sie hielt inne und fuhr mit dem Finger über den Bildschirm des Laptops. »Warum hast du das getan?«
Ich runzelte die Stirn. »Weil es mein Job ist.«
»Nein, das habe ich nicht gemeint, sondern …« Erneut verstummte sie und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Dass es dein Job ist, Menschen zu finden, ist mir bekannt.«
Schweigend und eindringlich betrachtete sie mich. Als ich sie anlächelte, lächelte sie zurück – allerdings nicht so wie sonst.
»Was ist los, Liz?«
Ihr Blick wanderte zum Laptop.
»Liz?«
Endlich hob sie den Kopf. »Erinnerst du dich daran, als wir das letzte Mal in so einem Raum waren?«
» Klar.«
»Letztes Jahr wegen dieses Falls im Norden. Weißt du noch?«
Ich hielt die Hand hoch und zeigte ihr meine Fingernägel. »Die Narben lassen es mich nicht vergessen«, erwiderte ich lächelnd, um das Unerklärliche zu durchbrechen, das plötzlich zwischen uns stand.
»Nachdem wir die Sache hinter uns hatten, habe ich über das, was du getan hast, nachgedacht. Darüber, wie weit du zu gehen bereit bist, um einen Fall abzuschließen.« Sie blickte mich an. »Ich weiß, dass du damals nicht ganz ehrlich zu mir warst. Aber das macht nichts. Du hast mir die Informationen gegeben, die ich brauchte, um damit arbeiten zu können, und
wir haben dich rausgepaukt. Nur das zählt. Ich habe es als eine Angelegenheit abgelegt, mit der wir uns später vielleicht würden befassen müssen, falls je … etwas zwischen uns passiert.«
Sie strich sich mit dem Finger über die Unterlippe.
»Doch selbst wenn du mir nie anvertraust, was damals passiert ist, hätte es mich wirklich nicht gestört, solange es ein einmaliger Ausrutscher gewesen wäre.« Sie musterte mich. »Aber es war kein einmaliger Ausrutscher.«
»Liz, es ist mein Beruf. Damit verdiene ich mein Geld. Ich …« Diesmal war es an mir, innezuhalten. Als ich über den Tisch hinweg nach ihrer Hand griff, entzog sie sie mir. »Ich finde Menschen.«
»Du findest Menschen, mit denen etwas nicht stimmt , David. Und du riskierst dabei Leib und Leben, immer in der Hoffnung, dass du schon irgendwie heil aus der Sache herauskommst. Die Lügen und die Details, die du weglässt, interessieren mich nicht. Wichtig ist das Warum .« Sie verstummte und betrachtete mich eine lange Zeit schweigend. »Warum tust du das?«
»Ich habe auch andere Fälle.«
»Wirklich?«
»Natürlich.«
»Wie viele waren es seit dem letzten Fall?«
»Vier.«
»In zehn Monaten?«
»Der letzte …« Ich musterte meine Fingernägel. »Er hat mir eine Menge abverlangt. Ich brauchte Zeit, um mich davon zu erholen. Aber Fälle wie dieser …« Ich lächelte. »Sie sind ungewöhnlich.«
»Und du übernimmst sie trotzdem.«
»Ich kann nicht vorhersagen, wie sie sich entwickeln werden. Wenn ich das könnte, würde ich nicht Vermisste suchen, sondern jede Woche Lotto spielen.«
»Schon, aber die meisten Leute würden sich umdrehen und verschwinden, wenn eine Sache den Bach runtergeht«, entgegnete sie. »Oder glaubst du, ein anderer hätte sich mit Healy zusammengetan, der Polizei den Stinkefinger gezeigt und sich in die Höhle eines Psychopathen wie Glas gewagt?«
»Jemand musste ihn aufhalten.«
»Ja, und zwar die Polizei.«
Wieder griff ich
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