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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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drang. Sie verzog das Gesicht, als sie auf den glatten Steinen ausglitt und fast auf allen vieren weiterklettern musste, mit schmerzenden Knöcheln, weil ihre Füße mal in diese, mal in jene Richtung wegrutschten. Alles in ihr drängte sie, Lamm etwas zuzurufen, aber sie wusste, dass sie kein Geräusch machen durfte.
    Er war zu weit entfernt, als dass sie ihn hätte einholen können, hatte es schon ganz bis hinunter ans Wasser geschafft. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie er sich auf den flachen Felsen hockte, auf dem wie ein Kissen das gefaltete Gewand lag, sich das gezogene Schwert über ein Knie legte, seinen Wetzstein hervorzog und ihn mit der Zunge benetzte. Sie zuckte zusammen, als er den Stein an die Klinge legte und mit einem einzigen, knirschenden Streich darüberfuhr.
    Scheu konnte die Überraschung daran ablesen, wie sich Waerdinurs Schultern strafften, aber das blieb zunächst die einzige Bewegung, die sie wahrnehmen konnte. Erst als der zweite Streich die Stille durchschnitt, drehte er sich langsam um. Ein freundliches Gesicht, hätte Scheu gesagt, aber sie hatte oft genug freundlich aussehende Menschen richtig üble Dinge tun sehen.
    »Das ist mal eine Überraschung.« Allerdings wirkte er eher verblüfft als entsetzt, während seine dunklen Augen von Lamm zu Scheu und wieder zurück wanderten. »Woher kommt denn ihr zwei?«
    »Den ganzen langen Weg aus Naheland«, sagte Lamm.
    »Der Name sagt mir nichts.« Waerdinur sprach die Gemeine Sprache ohne auffälligen Akzent. Vermutlich sprach er sie besser als Scheu. »Es gibt nur hier oder nicht hier. Wie seid ihr hierhergekommen?«
    »Ein Stück geritten und den Rest gelaufen«, knurrte Lamm. »Oder wolltest du wissen, wie wir hierhergekommen sind, ohne dass du uns bemerkt hast?« Er versetzte seinem Schwert einen weiteren kreischenden Streich. »Vielleicht seid ihr nicht so schlau, wie ihr denkt.«
    Waerdinur zuckte seine breiten Schultern. »Nur ein Narr glaubt, alles zu wissen.«
    Lamm hielt das Schwert in die Höhe, betrachtete prüfend erst die eine und dann die andere Seite, und die Klinge blitzte kurz auf. »Auf mich warten ein paar Freunde, da unten in Leuchtberg.«
    »Davon habe ich gehört.«
    »Es sind Mörder und Diebe und Männer ohne Charakter. Sie sind auf euer Gold aus.«
    »Wer sagt, dass wir welches hätten?«
    »Ein Kerl namens Cantliss.«
    »Ah.« Waerdinur benetzte seine Arme mit Wasser und fuhr fort, sich zu waschen. »Ein Mann ohne Rückgrat. Ein Hauch würde ihn umblasen. Du hingegen bist von anderer Art, denke ich.« Seine Augen wanderten zu Scheu hinüber, prüften sie ohne ein Zeichen der Furcht. »Und du auch. Ich glaube nicht, dass ihr wegen Gold gekommen seid.«
    »Wir sind gekommen, um meinen Bruder und meine Schwester zu holen«, stieß Scheu hervor, die Stimme so hart wie der Stein auf der Klinge.
    »Ah.« Waerdinurs Lächeln verblasste langsam, als er sie betrachtete, dann ließ er den Kopf hängen, und Wasser rann von seinem rasierten Schädel. »Du bist Scheu. Sie sagte, du würdest kommen, und ich habe ihr nicht geglaubt.«
    »Ro hat das gesagt?« Ihre Kehle zog sich beinahe um die Wörter zu. »Sie lebt?«
    »Sie ist gesund und munter, sicher und von allen geschätzt. Ihr Bruder auch.«
    Scheus Knie gaben kurz nach, und sie musste sich neben Lamm auf den Felsen stützen.
    »Ihr seid einen langen, harten Weg gekommen«, sagte Waerdinur. »Ich gratuliere euch zu eurem Mut.«
    »Wir sind nicht für deine Scheißglückwünsche gekommen!«, fuhr sie ihn an. »Wir wollen die Kinder!«
    »Ich weiß. Aber bei uns geht es ihnen besser.«
    »Glaubst du, dass mich das einen Scheiß interessiert?« Da war etwas in Lamms Gesichtsausdruck, bösartig wie ein alter Kampfhund, das Scheu am ganzen Körper erschauern ließ. »Hier geht es nicht um sie. Du hast mich bestohlen, du Wichser. Mich !« Speicheltröpfchen flogen von seinen gebleckten Zähnen, als er sich selbst mit dem Finger auf die Brust tippte. »Und ich hole mir zurück, was mir gehört, oder ich hole mir Blut.«
    Waerdinur kniff die Augen ein wenig zusammen. »Von dir hat sie nichts gesagt.«
    »Ich habe eines dieser Gesichter, die man schnell vergisst. Bring die Kinder nach Leuchtberg, und dann kannst auch du es wieder vergessen.«
    »Ich bedaure, aber das kann ich nicht. Sie sind jetzt meine Kinder. Sie gehören zum Drachenvolk, und ich habe geschworen, diesen heiligen Boden und jene, die auf ihm leben, mit meinem letzten Blutstropfen und bis zu

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