Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
um mir einen kurzen Blick zuzuwerfen – doch dann schaute er zweimal hin:
»Ich habe ja schon eine Menge merkwürdiger Dinge gesehen, aber noch nie zuvor eine Frau in Männerkleidern«, meinte er mit einem amüsierten Schnauben, bevor er sich wieder dem Schaltpult widmete. »Nicht dass du nicht flott damit aussehen würdest.«
Ich kicherte.
Flott war nun nicht gerade das Wort, das ich verwendet hätte. Die Kniehosen waren ausgebeult, die Hosenträger passten nicht gut mit Körbchengröße B zusammen, und das Rüschenhemd war einfach albern. Und ich war immer noch angefressen wegen der Sache mit dem Blud. Aber bei einem echten Notfall wollte ich eigentlich nicht die Kleinkarierte spielen.
Ich tat es trotzdem.
»Also, die Sache mit dem Blut«, fing ich an und hasste mich selbst ein wenig dafür.
»Kann das warten, bis ich dich vor diesem Kraken gerettet habe?«, fragte er, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen.
Ich ging näher an die Instrumententafel heran und legte ihm, ohne es zu registrieren, die Hand auf die Schulter. Wenn hier irgendwo ein Seeungeheuer war, dann wollte ich es sehen. Auf jeden Fall war da ein runder, schwarzer Sonarbildschirm mit einem roten Fadenkreuz darauf. Und genau in der Mitte davon war ein großer, tintenfischförmiger Leuchtimpuls. Und dann kam ein lautes Gong und ein Knarren, und wir wurden auf die Seite geworfen.
»Verdammte Hölle!«, rief er aus. »Wo ist der Schocker? Er taucht jeden Moment!«
»Wonach suchen wir?«, fragte ich, während ich mich mit der einen Hand an seiner Schulter und mit der anderen am Stuhl des Kapitäns festhielt und so versuchte, aufrecht zu bleiben, während das Boot zitterte und schwankte und um uns herum alles rot aufleuchtete. Ich fühlte mich wie live in einer Folge Star Trek . Das Boot ruckte zur Seite, und mir schnürte sich die Kehle zu, als mir klar wurde, dass das hier in keiner Weise ein Filmset war. Dieses Fantasiemonster hier war echt.
»Den Schocker«, sagte er, während seine Finger über die Kontrolltafel tanzten. »Um dem Ding, nun ja, einen Elektroschock zu verpassen. Die meisten Boote haben einen, habe ich mir sagen lassen.«
Er fuhr mit dem Finger über Schalter und Knöpfe auf der Konsole, und ich sah derweil die oberen Instrumente durch. Die Nase des Bootes neigte sich nach unten, und ich wurde gegen die Decke geworfen und schlug mir den Kopf an etwas an. Ich sah genauer hin.
»Das hier hat einen Blitz aufgemalt«, sagte ich. »Hilft das?«
Er legte seine Hand auf meine, die schon auf dem Messinggriff lag und zwinkerte mir zu, als wir gemeinsam am Hebel zogen. Irgendwo unter uns begann etwas zu rauschen, dann ein Summen, das immer lauter wurde und uns die Haare zu Berge stehen ließ. Ein lautes Krachen nebst plötzlichem Aufprall bewirkte, dass wir mit den Köpfen gegeneinanderprallten und uns ineinander verhedderten, während das Boot erzitterte und sich wieder ausrichtete. Dann hörten die roten Lichter zu blinken auf, und alles war wieder normal.
Auf dem Sonar beobachteten wir, wie der grüne Leuchtimpuls zu einem kleinen Fleck schrumpfte, der dann im Nichts verschwand. Ich seufzte erleichtert auf. In einem U-Boot zu sein und dort von einem riesigen Tintenfisch attackiert zu werden – das war so außerhalb jeder Realität, dass ich es nicht recht verarbeiten konnte. Ich fühle mich wie in Disneyland in einem Simulator.
»Das ist noch mal gut gegangen«, stellte Criminy fest und ließ sich in den Kapitänssessel aus Messing und Leder fallen. »Wir nähern uns der Insel, trotz der Seeungeheuer. Ich gehe davon aus, dass wir spätestens in einer Stunde da sind.«
»Warte mal. Wenn das Boot die ganze Zeit über in Bewegung war, während wir geschlafen haben, wieso kommen wir jetzt erst der Insel näher? Die Fahrt sollte doch nur ein paar Stunden dauern, richtig?«
Er schmunzelte. »Ich habe nie behauptet, dass es die ganze Zeit in Bewegung war. Vielleicht habe ich es eine Weile lang auch langsam fahren lassen. Es gab viel zu tun.«
»Wie konnte denn irgendwas wichtiger sein, als Goodwill zu finden und mein Medaillon zurückzuholen?«
Ich war verärgert. Nach allem, was wir durchgemacht hatten, um hierher zu kommen, hatten wir wertvolle Zeit verloren. Nichtsdestotrotz war sein Blick sanft und liebevoll, und er streckte die Hand aus, um mich am Kinn zu tätscheln.
»Schau mal, Liebes. Ich bewundere ja deine Entschlossenheit und Beharrlichkeit, aber du kannst nicht immer nur mit Vollgas voranstürmen. Wenn wir die Insel
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