Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Kleider angezogen und bin ziellos herumgelaufen, bis ich den Wanderzirkus gefunden habe. Als Master Stain meine Geschichte hörte und sah, wie ich Cembalo spielte, hat er mir einen Wohnwagen und einen Job angeboten.«
»Gefällt es Ihnen hier?«
»Machen Sie Witze?«, fragte er mit einem Lachen. »Es ist ein absoluter Traum. Ich bin Konzertpianist, und die Leute hier haben noch nie etwas von Beethoven oder Mozart gehört. Sie denken, ich bin ein Gott!«
Ich musste kichern. Er war umwerfend und charmant, auf eine sanfte, irgendwie spröde Art – das völlige Gegenteil von Criminys gefährlicher Anziehungskraft. Ich mochte ihn sofort und fühlte mich in seiner Gegenwart zu Hause, so als würden wir uns schon immer kennen. Ich beugte mich vor.
»Und was ist Ihre Geschichte?« Er lächelte, und Grübchen erschienen in seinem Gesicht. Versuchte er tatsächlich mit mir zu flirten? Plötzlich fühlte ich mich verlegen und musste gegen den Drang ankämpfen, mit meinem Haar herumzuspielen.
Ich erzählte ihm meine Geschichte, vom Medaillon bis zum Ohnmachtsanfall. Den Teil, in dem es darum ging, dass ich Criminys magisch hierher gelockte Braut darstellen sollte, ließ ich allerdings aus.
»Und jetzt sitzen Sie wirklich hier fest?«, fragte Casper unruhig. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er wollte, dass ich ja sagte.
»In der Tat, Mäuschen. Sitzt du hier fest?«, fragte auch Criminy, der plötzlich an meiner Seite auftauchte und mich aus dem Abteil holte.
»Welche Wahl habe ich denn?«, rief ich über die Schulter, während Criminy den Arm um meine Taille schlang und mich mit sich zog, hin zu einem Korb, dessen Inhalt zwar aussah und roch wie gebratenes Hühnchen, aber wahrscheinlich extra knuspriges Bludhäschen war.
Ich war ziemlich abgelenkt und warf immer wieder verstohlene Blicke zu Casper hinüber. Er lehnte sich in seiner Nische zurück und lächelte mir zu, während er eine Münze über seine Fingerknöchel hin und her wandern ließ. Nachdem ich meine Gabel ungeschickt hatte zu Boden fallen lassen, übernahm Criminy es mit einem Seufzen, meinen Teller zu füllen und führte mich an unseren Privattisch, wo er die Vorhänge heftiger als nötig zuzog.
»Der Knabe verhält sich ein bisschen zu vertraulich«, meinte er mit schmalen Augen und schwenkte das Blut in seinem Kelch. »Er redet mit niemandem viel. Ich glaube, er hat mir besser gefallen, als er mürrisch war.«
»Ich kenne ihn«, sagte ich, immer noch fasziniert. »Ich habe mich monatelang um seinen Körper gekümmert. Und er war die ganze Zeit über hier – zumindest sein Verstand. Was für ein merkwürdiger Zufall.«
»Eigentlich glaube ich nicht, dass das ein Zufall ist, Liebes«, meinte Criminy. »Ich nehme alle Fremdlinge auf, die ich finde, wenn ich sie gebrauchen kann. Es macht mir Spaß, die Coppers an der Nase herumzuführen, und Außenseiter passen gut zu anderen Außenseitern. Er ist nicht weit von hier zu uns gestoßen, also vielleicht entsprechen Orte in deiner Welt irgendwie Orten in Sang.«
»Dann hast du ihn aufgenommen, einfach weil er ein Fremdling war?«, fragte ich.
»Und wegen seiner Musik. Aber langsam bereue ich es ein wenig.«
»Und hast du ihn auch verwandelt?«
»Ich? Ihn verwandelt? Himmel, nein.« Er lachte, ein einzelner, scharfer Laut. »Er ist kein Bludmann. Wie kommst du darauf, dass er einer von uns ist?«
»Die Art, wie er angezogen ist«, sagte ich und fühlte mich dabei verwirrt und dumm.
»Ach, das«, meinte er nachdenklich. »Nun, das ist eine ganz andere Geschichte. Er ist ein schlauer Bursche. Du wirst ihn eines Tages danach fragen müssen.«
***
Bis wir mit dem Abendessen fertig waren, war Casper schon weg. Um Criminys willen versuchte ich meine Enttäuschung zu verbergen. Begleitet von Gute-Nacht-Rufen der Schausteller traten wir hinaus in die Dämmerung, und ich bewunderte die Sterne, während wir durch die dunstige Nacht spazierten. Die Sternbilder waren sehr fremdartig, und genau wie die Wolken wirkten sie unglaublich nah. Der Mond hing am Himmel wie ein zerbrochener Essteller, der in den Zweigen eines weit entfernten Baumes festhing.
Wir hielten vor einem burgunderroten Wohnwagen an, der so sehr im Mondlicht glänzte, dass ich in der noch nassen Farbe mein Spiegelbild erkennen konnte. Er sah nicht wie der schäbige Wagen des Ex-Wolfsjungen aus, und mein Name war noch nicht auf der Seite aufgemalt, aber ich wusste, es war mein Wagen.
»Ladies first«, sagte Criminy mit einer Verbeugung.
Ich
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