Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Blutland - Von der Leidenschaft gerufen

Titel: Blutland - Von der Leidenschaft gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
Vom Netzwerk:
gehüllt wie Elvis, trat langsam vor, um dem Toten die Augen zu schließen und nickte Criminy entschuldigend zu. Aus der Menge tönte schockiertes Gewisper, und es gab viele finstere Blicke, doch niemand schien im Geringsten überrascht. Ich konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass sie wussten, dass Elvis Böses geplant hatte, oder daran, dass Criminys Wort Gesetz war.
    Criminy zog ein langes schwarzes Seidentuch aus seinem Mantel, so leicht, als sei es ein Taschentuch. Er trat vor, um es über den reglosen Körper im Staub zu hüllen, und das Gewisper steigerte sich zu einem Rauschen.
    »Alle aufhören!«, rief Criminy laut.
    Augenblicklich verstummten die Schausteller und standen still da.
    »Das hier ist eine Familie, und wir kümmern uns um die Unseren. Verbrechen werden entsprechend bestraft. Belleen wurde gerächt. Und jetzt geht es weiter.« Seine Stimme verriet Zuversicht und Endgültigkeit.
    Die Menge der Schausteller zerstreute sich. Die Vorstellung war vorbei.

13.
    D ie Sonne hing blassgelb am Horizont, als ich zum ersten Mal sah, wie der Zirkus zum Leben erwachte. Ein paar ruhige Stunden allein in meinem Wagen hatten mich nur wenig erfrischt, und jetzt war ich wieder in meinem falschen Zelt mit meiner falschen Kristallkugel und trug meinen falschen Turban, während ich einhundertprozentig echte Wahrsagerei betrieb.
    Fremdartige zweistöckige Fahrzeuge tauchten auf, zuerst nur als drei rauchende Punkte in der Ferne. Dann wurde ihr schweres Tuckern über die Hügel hörbar, und schließlich waren sie da und hielten in respektvoller Entfernung an. Sie sahen aus wie eine Kreuzung aus Panzern und englischen Sightseeing-Bussen; ihre Reifen hinterließen hässliche Narben auf dem heiteren Grün der Moorlandschaft. Die Stadtleute nahmen es bei ihren Ausflügen aufs Land offenbar sehr genau mit der Sicherheit.
    Jeder Bus wurde von zwei Coppers begleitet, die auf temperamentvollen Bludrössern vorangaloppierten, um bei Mrs Cleavers unsere Papiere zu überprüfen. Zusätzlich zur Lizenz und den Genehmigungen für den Wanderzirkus musste auch jeder Schausteller Papiere vorweisen. Meine waren heute Morgen frisch gefertigt und mittels Magie auf alt getrimmt worden. Ich hieß offiziell Lady Letitia Paisley. Zwar hatte ich mich für meinen Nachnamen Everett ausgesprochen, aber Criminy hatte mir erklärt, dass das in Sang weder ein Nachname noch überhaupt ein Wort war und daher Fragen aufwerfen könnte. Also hatten wir das wesentlich gebräuchlichere Paisley eingetragen. Mir fiel kein einziges Argument ein, das ich anführen konnte ohne preiszugeben, was ich in meiner Vision mit seinem Buch gesehen hatte, also blieb es dabei.
    Ich versuchte, mich auf meine Atmung und Ausstrahlung zu konzentrieren. Der größte Kritikpunkt meiner heutigen Kunden war gewesen, dass ich munter, aber gleichzeitig schüchtern wirkte, bis ich sie berührte, und dann auf einen Schlag düster und geheimnisvoll wurde. Ich musste diese exotische Aura dauerhaft beibehalten und durfte mich nicht nur auf Visionen verlassen.
    Mein Wagen stand zwischen dem von Emerlie und Veruca und dem von Torno. Alle Wagen zusammen bildeten einen Kreis, um den privaten Bereich des Wagenzuges vom öffentlichen zu trennen. Zwischen den Wagen befanden sich die Uhrwerke, die ihre Kunststücke vorführten und gleichzeitig sicherstellten, dass sich keine Außenstehenden in den inneren Kreis wagten. Der jonglierende Polandabär auf der einen und der tanzende Leoparther auf der anderen Seite meines Wagens waren mehr als nur ein wenig einschüchternd.
    Links von mir fuhr Emerlie auf ihrem Einrad und jonglierte mit Tellern – und sah dabei noch gelangweilter aus als sonst. Ihre wirklich gefährlichen Kunststücke würden erst kommen, wenn die Menge angeheizt war und sich, von Criminys Verlockungen angezogen, wie eine Herde Schafe zusammendrängte. Direkt neben ihr stand Veruca in einer Bude, die mit einer üppigen Dschungellandschaft bemalt war und ließ gerade ein Schwert in ihrem Schlund verschwinden. Rechts von mir hob Torno große Steinblöcke und riesige Hanteln in die Höhe, um sich damit ebenfalls für die folgende, eindrucksvollere Vorstellung vorzubereiten.
    Ich hatte Criminy gefragt, warum es für die Hauptvorstellung kein riesengroßes Zelt mit Tribüne gab.
    »So etwas gab es früher«, antwortete er nachdenklich. »Vor ein paar hundert Jahren, bevor so viele verwandelt wurden. Aber in der Welt von heute eine Horde Pinkies an einem Ort mit nur einem Ausgang zu

Weitere Kostenlose Bücher