Blutlinien - Koeln Krimi
bitte entschuldigen würdest.«
Gerda Jacobi machte Anstalten, die Tür zu schließen. Beherzt stellte Lâle ihren Fuß dazwischen. »Gerda, was ist los? Es muss doch einen Grund für Danas Verhalten geben!«
»Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit, eine Familiensache. Wahrscheinlich will sie einfach allein sein, über alles nachdenken. Und das sollte unsere Tochter auch dringend tun!«
Lâle schossen Tränen in die Augen. »Was verärgert dich denn so? Du klingst wütend.«
»Ich kann dir sagen, was mich wütend macht.« Gerda Jacobi trat näher an Lâle heran. »Eure Heimlichtuerei, Danas unverschämte Art und …«
»Wieso? Was hat Dana denn … ich dachte, sie hätte längst mit euch geredet?«
»Unsere liebe Tochter hat uns gestern Abend alles vor die Füße geknallt, was wir nicht hören wollten. Vor vollendete Tatsachen hat Madame uns gestellt, aber ich sage dir, da machen wir nicht mit!«
Lâle versuchte, ruhig zu bleiben. »Wenn euch die Hochzeit aufregt, lasst uns darüber reden.«
»Wir sehen keinen Bedarf, uns mit dir an einen Tisch zu setzen. Und vielleicht überlegst du dir mal, wie sehr du Dana unter Druck setzt mit deinem Lebensentwurf. Mit der … Heirat, dem Auszug und all diesen Dingen ist unsere Tochter doch völlig überfordert. Wir sind uns sicher, dass sie das alles gar nicht wirklich will.«
»Das ist doch Unsinn!«
»Herrgott noch mal, Dana ist Mitte zwanzig, du bist wesentlich älter und hattest auch nie einen Freund. Aber unsere Dana ist ganz anders. Vielleicht hat sie sich nicht getraut, dir reinen Wein einzuschenken … oder sie wollte dich nicht enttäuschen.«
»Dana und ich, wir …«
»Die Wahrheit kann schmerzhaft sein, liebe Lâle«, setzte Gerda nach. »In jedem Fall bist du sehr dominant, das warst du schon immer. Überleg mal, welche Chance Dana hat, sich gegen dich durchzusetzen.«
»Ich bin dominant? Das sagst ausgerechnet du?«
»Ich verbitte mir diesen Ton!«
»Du hast doch überhaupt keinen blassen Schimmer!«, schrie Lâle.
»Lass uns in Ruhe! Ansonsten sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu rufen.« Gerda schloss die Tür.
»Das erledige ich!« Lâle schäumte vor Wut. Es kostete sie Kraft, erhobenen Hauptes durch den kleinen Vorgarten zu gehen. Vor ihrem Wagen blieb sie stehen und schaute zum Haus zurück. Hinter Danas Zimmer im Dachgeschoss brannte kein Licht.
Sie schloss die Tür ihres Wagens auf und gestand sich ein, dass sie nicht wusste, was sie machen sollte. Ihre Freundin war verschwunden. Spurlos, einfach so. Und ihren Eltern schien das egal zu sein.
* * *
Akribisch durchforste ich Tageszeitungen nach Anzeigen. Auch hier finden Überkreuzungen der Linien statt, die mich in Rage versetzen.
Ich schneide Bekanntmachungen aus und klebe sie in meine Unterlagen ein. Wenn ich sehr viel Glück habe, nennt das Paar Tag und Anschrift der Feier. Wie töricht.
Daneben führt mich einer meiner Gänge regelmäßig zum Standesamt. Dort hocken sie zwischen rechtmäßigen Paaren, tun so, als wäre ihr Anliegen das Normalste von der Welt. Aber auf dieser Linie haben sie nichts zu suchen. Es ist erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit sie dennoch da sitzen. Einige haben etwas Spöttisches um den Mund. Sie sehen aus, als wollten sie sich mit der ganzen Welt anlegen. Andere machen viel Rambazamba, haben einen Pulk um sich, schlürfen Sekt, nehmen den ganzen Raum ein, ziehen alle Blicke auf sich, und doch kommt es mir so vor, als ob alles nur Show ist.
Ihre Begleitung scheint wie eine heimliche Armee, die Angriffe abwehren soll. Denn viele von ihnen haben ängstliche Augen, vermitteln das Gefühl, als wollten sie im Erdboden versinken. Das sagt mir, dass sie genau wissen, dass sie etwas Unrechtmäßiges tun. Ich halte mich unauffällig in ihrer Nähe, versuche, Daten aufzuschnappen, Namen, mehr ist meistens nicht drin. Ich bin erstaunt, mit welcher Naivität sie sich registrieren lassen. Haben sie aus der Historie nichts gelernt? Wissen sie nicht, dass sich der politische Wind schnell drehen kann?
Wenn ich Zeit habe, folge ich einem der Paare. Irgendwann finden sie nach Hause, viele wohnen zusammen. Meine Notizblöcke füllen sich mit Daten.
Auch die gestohlenen Ausweise werte ich aus, sortiere sie nach Alter, Geschlecht. Mein Ziel ist es, die Einträge nach und nach abzuarbeiten. Natürlich stürme ich nicht einfach los, läute an der Tür und spaziere hinein. Das geht nur im Einzelfall. In der Regel muss ich observieren, Geduld haben und
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