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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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»Du hast noch nicht angefangen?«, fragte Jane.
    »Nein. Kommt sonst noch jemand?«
    »Heute bin ich die Einzige.« Jane hielt kurz inne, um ihren Kittel zu binden, als ihr Blick auf den Seziertisch fiel und auf dem Gesicht ihrer toten Kollegin verweilte. »Ich hätte mich für sie einsetzen sollen«, sagte sie leise. »Als diese Blödmänner im Dezernat mit ihren dummen Witzen anfingen, hätte ich sofort einschreiten müssen.«
    »Sie sind diejenigen, die ein schlechtes Gewissen haben sollten, Jane. Nicht du.«
    »Aber ich habe das selbst durchgemacht. Ich kenne das Gefühl.« Jane starrte auf die freiliegenden Hornhäute. »Diese Augen werden die Bestatter für die Beerdigung kaum herrichten können.«
    »Nein, die Trauerfeier wird wohl bei geschlossenem Sarg stattfinden müssen.«
    »Das Horus-Auge«, flüsterte Jane.
    »Was?«
    »Diese Zeichnung an Sansones Tür. Das ist ein antikes Symbol, das aus dem alten Ägypten stammt. Es heißt Udjat - das allsehende Auge.«
    »Wer hat dir das erzählt?«
    »Einer von Sansones Dinnergästen.« Sie sah Maura an. »Diese Leute - Sansone und seine Freunde -, die sind wirklich seltsam. Je mehr ich über sie herausfinde, desto unheimlicher finde ich sie. Besonders ihn. «
    Yoshima kam mit einem Stapel frisch entwickelter Aufnahmen aus der Dunkelkammer. Die Folie schwirrte melodisch, als er sie am Leuchtkasten befestigte.
    Maura griff nach einem Lineal, um die Kopfwunde auszumessen, und notierte die Maße auf einem Klemmbrett. »Er hat mich übrigens in der Nacht noch angerufen«, sagte sie, ohne aufzublicken. »Um sich zu vergewissern, dass ich gut nach Hause gekommen war.«
    »Wer - Sansone ?«
    Maura blickte auf. »Hältst du ihn für verdächtig?«
    »Überleg doch mal: Nachdem sie die Leiche gefunden hatten, weißt du, was Sansone da gemacht hat? Er hat seine Kamera geholt und Fotos geschossen! Und seinen Butler beauftragt, sie am nächsten Morgen seinen Freunden zu schicken. Findest du das vielleicht normal?«
    »Aber hältst du ihn für verdächtig?«
    Nach einer Pause gestand Jane: »Nein. Und wenn ich es täte, würden wir Probleme bekommen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Gabriel hat für mich ein bisschen nachgeforscht - das heißt, er hat's versucht. Er hat überall herumtelefoniert, um mehr über den Typ herauszufinden. Aber kaum hatte er ein paar Fragen gestellt, haben alle gleich dichtgemacht. Das FBI, Interpol, niemand wollte etwas über Sansone sagen. Offensichtlich hat er Freunde in einflussreichen Positionen, die bereit sind, ihn zu schützen.«
    Maura dachte an das Haus auf dem Beacon Hill. An den Butler, die Antiquitäten. »Sein Reichtum könnte etwas damit zu tun haben.«
    »Das ist alles geerbt. Er hat sein Vermögen bestimmt nicht gemacht, indem er am Boston College mittelalterliche Geschichte gelehrt hat.«
    »Wie reich ist er eigentlich?«
    »Dieses Haus auf dem Beacon Hill - das dürfte für ihn eher eine primitive Hütte sein. Er hat auch noch Villen in London und Paris, und außerdem den Familiensitz in Italien. Der Typ ist ein begehrter Junggeselle, er schwimmt im Geld und sieht auch noch gut aus. Und trotzdem taucht er nie in den Klatschspalten auf. Keine Wohltätigkeitsbälle, keine High-Society-Benefizveranstaltungen. Er führt ein regelrechtes Einsiedlerdasein.«
    »Er kam mir auch nicht vor wie jemand, der sich gerne auf Szenepartys herumtreibt.«
    »Was hattest du sonst so für einen Eindruck von ihm?«
    »So lange habe ich mich auch wieder nicht mit ihm unterhalten.«
    »Aber du hast an dem Abend mit ihm geredet?«
    »Es war bitterkalt draußen, und er hat mich auf einen Kaffee ins Haus eingeladen.«
    »Kam dir das nicht ein bisschen seltsam vor?«
    »Was?«
    »Dass er sich eigens die Mühe gemacht hat, dich einzuladen?«
    »Ich fand es eine nette Geste. Und wenn du's ganz genau wissen willst - es war der Butler, der herauskam, um mich ins Haus zu bitten.«
    »Dich persönlich? Er wusste, wer du bist?«
    Maura zögerte. »Ja.«
    »Was wollte er von dir, Doc?«
    Maura hatte sich inzwischen dem Rumpf zugewandt und maß die Stichwunde in der Brust aus, um das Ergebnis auf ihrem Klemmbrett zu notieren. Die Fragen wurden allmählich zu direkt, und was Jane damit indirekt andeutete, gefiel ihr gar nicht: dass sie sich von Anthony Sansone hatte benutzen lassen. »Ich habe keine wesentlichen Informationen über den Fall verraten, Jane, falls es das ist, was du wissen willst.«
    »Aber du hast mit ihm darüber gesprochen?«
    »Neben einer Reihe von

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