Blutmale
gerade zum Essen eingeladen.«
»Er will etwas von dir.«
»Das bestreitet er kategorisch.« Maura ging zum Vorratsschrank, um sich ein neues Paar Latexhandschuhe zu holen. Ihre Hände waren ganz ruhig, als sie sie überstreifte, doch sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und fühlte das Pulsieren des Blutes in ihren Fingerspitzen.
»Und das nimmst du ihm ab?«
»Natürlich nicht. Deswegen gehe ich auch nicht hin.«
Jane sagte leise: »Das solltest du aber vielleicht.«
Maura drehte sich zu ihr um. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Ich wüsste gerne mehr über die Mephisto-Stiftung. Wer da hintersteckt, was sie bei ihren Geheimtreffen so tun. Das ist vielleicht meine einzige Chance, an Informationen ranzukommen.«
»Ich soll es also für dich tun?«
»Ich meine ja nur, dass es nicht unbedingt so verkehrt wäre, wenn du hingehen würdest. Solange du nur vorsichtig bist.«
Maura trat an den Seziertisch. Sie starrte auf Eve Kassowitz hinunter und dachte: Diese Frau war Polizistin, und sie war bewaffnet. Aber selbst sie war nicht vorsichtig genug. Maura griff nach dem Skalpell und begann zu schneiden.
Die Klinge beschrieb ein Y auf dem Rumpf: zwei Einschnitte, die von den Schultern schräg abwärtsführten und sich ein Stück tiefer als sonst üblich unter dem Brustbein vereinigten, um die Stichwunde zu umgehen. Noch bevor die Rip pen durchtrennt waren, bevor die Brusthöhle eröffnet war, wusste Maura bereits, was sie im Thorax vorfinden würde. Sie konnte es auf den Brustaufnahmen sehen, die am Leuchtkasten hingen: der rundliche Umriss des Herzens, weit größer, als es bei einer gesunden jungen Frau sein dürfte. Sie hob den aus Brustbein und Rippen gebildeten Schild heraus, spähte in die Brusthöhle und schob eine Hand unter den angeschwollenen Beutel, der das Herz enthielt.
Er fühlte sich an wie ein prall gefüllter Ballon.
»Perikardtamponade«, sagte sie und blickte zu Jane auf. »Der Herzbeutel hat sich mit Blut gefüllt. Da der Platz begrenzt ist, wird der Beutel so straff, dass das Herz nicht mehr pumpen kann. Es kann auch sein, dass der Stich selbst eine tödliche Arrhythmie ausgelöst hat. So oder so, es war ein schnel ler, gezielter Todesstoß. Der Täter muss genau gewusst haben, wie er die Klinge anzusetzen hatte.«
»Er hat Erfahrung mit so etwas.«
»Oder er hatte einfach nur Glück.« Sie wies auf die Wun de. »Man kann sehen, dass die Klinge direkt unterhalb des Schwert fortsatzes eingedrungen ist. Oberhalb dieser Stelle ist das Herz durch Brustbein und Rippen recht gut geschützt. Aber wenn man genau hier hineinsticht und die Klinge im richtigen Winkel hält …«
»Dann trifft man das Herz?«
»Es ist nicht schwer. Ich habe es während meines Praktikums in der Notaufnahme selbst gemacht. Mit einer Nadel natürlich.«
»Bei einer Leiche, will ich doch hoffen.«
»Nein, die Frau war noch am Leben. Aber wir konnten keinen Herzschlag hören, ihr Blutdruck ging rapide in den Keller, und die Thoraxaufnahme zeigte ein kugelförmiges Herz. Ich musste dringend etwas tun.«
»Und da hast du sie erstochen ?«
»Ich habe mit einer Herznadel Blut aus dem Herzbeutel abgesaugt, um sie bis zur OP am Leben zu halten.«
»Das ist wie in diesem Spionagethriller, Die Nadel «, sagte Yoshima. »Der Mörder sticht seine Opfer direkt ins Herz, und sie sind so schnell tot, dass kaum Blut fließt. Eine ziemlich ›saubere‹ Methode, einen Menschen umzubringen.«
»Danke für den nützlichen Tipp«, sagte Jane.
»Yoshima spricht da durchaus einen interessanten Aspekt an«, sagte Maura. »Beim Mord an Eve Kassowitz hat der Täter eine schnelle Methode gewählt. Aber bei Lori-Ann Tucker hat er sich Zeit genommen, um die Hand, den Unterarm und den Kopf abzutrennen. Und dann hat er diese Symbole gezeichnet. Bei diesem Opfer hat er dagegen nicht viel Zeit verloren. Was mich auf den Gedanken bringt, dass das Motiv für den Mord an Eve eher praktischer Natur war. Vielleicht hat sie ihn überrascht, und er war gezwungen, sie auf der Stelle loszuwerden. Was er dann auch tat, so schnell er konnte. Mit einem Schlag auf den Kopf und einem raschen Stich ins Herz.«
»Er hat sich immerhin die Zeit genommen, diese Symbole an die Tür zu zeichnen.«
»Woher wollen wir wissen, ob er sie nicht vorher gezeichnet hat? Und dazu dieses Bündel auf die Schwelle gelegt hat?«
»Du meinst die Hand.«
Maura nickte. »Seine Opfergabe.«
Das Skalpell war wieder in Aktion, durchtrennte Gewebe und
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