Blutnacht in Manhattan
John.«
»Ist auch gut. Du akzeptierst ihn nicht. Aber dann sollten wir zusammenbleiben.«
»Das versteht sich.«
Wir hakten das Thema ab und kümmerten uns um den Verletzten. Die beiden Fachleute hatten gute Arbeit geleistet und ihm einen perfekten Verband angelegt, der seinen Hals wie eine helle Krause oder wie einen Schal umgab. Sein Luftholen glich noch immer einem Röcheln. Er wurde auf eine Trage gebettet und fortgeschafft.
Allmählich zogen sich die Menschen zurück. Zwei junge Männer eilten herbei. Sie brachten Putzeimer mit, die mit Wasser gefüllt waren. Wenig später wischten fleißige Hände die Blutflecken vom Boden weg.
Der Vorgang war trotzdem das Ereignis. Die Menschen fragten sich, wie es dazu hatte kommen können. So sehr sie sich auch anschauten, es gab keine Lösung. Die Wahrheit erkannte niemand, und man redete schließlich davon, dass sich der Mann aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen selbst verletzt hatte.
Ich kam wieder zur Sache und sprach meinen Freund an. »Ich hörte noch, dass du telefoniert...«
»Genau.«
»War es Sharon Lane?«
»Sie hat Wort gehalten.«
»Und weiter?«
»Sie möchte, dass wir zu ihr kommen.«
»Und wo ist das?«
»Hier in Manhattan. Sie ist Chefin einer Agentur, die Begleiterinnen an einsame Männer vermittelt. Zugleich ist sie noch Boss einer Bar. Sozusagen das Abendgeschäft.«
»Gut. Wann fahren wir?«
Abe lächelte: »Sofort.«
Genau das war auch mein Wunsch. Je weniger Zeit wir verloren, desto besser war es. Keiner von uns wollte, dass noch ein fünfter Mord passierte.
Ausschließen konnten wir ihn nicht. Wenn ich ehrlich war, musste ich davon ausgehen, dass uns dieser Killer leider über war...
***
An manchen Stellen ist auch Manhattan voller Wunder. Das erlebten wir, als wir in eine Straße einbogen, die von Hochhäusern flankiert wurde und in der praktisch ein Hotel und ein Geschäft neben dem anderen stand. Nur nicht am Ende der Straße, denn dort gab es eine alte Villa, die zudem noch von einem Grundstück umgeben war, das wiederum von einer Mauer eingefriedet wurde.
Bäume streckten ihr Astwerk über die Mauer hinweg und präsentierten ihr herbstlich gefärbtes Laub.
»Ist es hier?«, fragte ich leicht verwundert.
Mein amerikanischer Freund nickte. »Ja, so hat man es mir gesagt. Es ist hier.«
»Sieht gar nicht schlecht aus.«
Abe lachte. »Denk mal daran, was sich alles hinter Glitzerfassaden verstecken kann.«
»Das ist wohl war.«
Natürlich gab es ein Tor. Man wollte ja nicht jeden hineinlassen, sondern erst noch kontrollieren, wer dort ankam. Security stand in dieser Stadt an erster Stelle. Besonders seit dem 11. September 2001. Da lief irgendwie nichts mehr normal. Das konnte ich als Gast besonders beurteilen, weil immer ein Zeitraum zwischen meinen New-York-Aufenthalten lag.
Das Tor bestand aus einem Gitter. Es sah alt aus, funktionierte aber mit der modernen Elektronik.
Wir wurden von einem Kameraauge beobachtet. Anhalten und warten. Das Tor öffnete sich nicht.
Abe Douglas stieß einen leisen Fluch aus und sagte dann: »Die mögen uns wohl nicht.«
»Steig aus und ändere dies.«
»Das mache ich auch.«
Wir hätten wahrscheinlich über Stunden hinweg hier warten können, zum Glück fand der G-Man die kleine Sprechanlage im Mauerwerk. Er musste sich noch etwas bücken. Dann redete er gegen die Lautsprecherrillen.
Ich wartete im Wagen und streckte meine Beine aus. New York zeigte sich wettermäßig von seiner besten Seite. Ein herrlicher Himmel lag wie ein straff gespanntes Tuch über der Stadt. Nichts wies auf Regen hin, keine Wolke zeigte sich. Eine goldene Spätherbstsonne verwöhnte Manhattan. Da konnte man sich schlecht vorstellen, dass es diese mörderischen Blutnächte gab.
Nach einer Weile schlenderte Abe Douglas zurück. Er hatte den Mund zu einem Grinsen verzogen und nickte mir zu. Erst als er im Wagen saß, fing er an zu sprechen.
»Bei der CIA kann es nicht schlimmer sein. Ich habe sogar meinen Ausweis vor die Kamera gehalten. Den haben sie sich dann herangezoomt.«
»New York ist eben anders geworden.«
»Du sagst es.«
Das Tor schwang nicht zurück. Auf einer Schiene fuhr es zur Seite, und so hatten wir endlich freie Fahrt. Die Reifen rollten über rötliches Pflaster hinweg, von dem nicht so viel zu sehen war, weil es von einer Schicht aus Blättern bedeckt wurde.
Auf einem Parkplatz fanden wir einen freien Platz. Beim Aussteigen betrachtete ich das Haus. Ich bin kein großer Historiker,
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