Blutnacht in Manhattan
aber meiner Ansicht nach stammte es aus der Gründerzeit. Dicke Mauern, hohe Fenster, Erker und auch Gauben.
Ein repräsentativer Eingang wartete auf den Besucher und ebenfalls ein Schild am Mauerwerk, auf dem die Namen der Firmen eingraviert waren, die hier ihren Sitz hatten.
Ich hielt mich hinter Abe, der kurz in eine weitere Kamera schaute. Erst dann hörten wir das leise Summen. Abe drückte gegen die Tür, die recht leicht nach innen schwang, und dann betraten wir einen breiten Flur mit ebenfalls breiter Treppe. Es gab auch so etwas wie eine Portierloge. Dort saß ein breitschultriger Mann in einer blauen Uniform und ließ sich noch mal Abe’s Ausweis zeigen.
»Reicht das jetzt?«
»Sir, ich habe meine Vorschriften.«
»Die man auch übertreiben kann.«
Der Knilch ließ sich auf nichts ein. »Mrs. Lane erwartet Sie bereits. Gehen Sie hoch in den ersten Stock. Sie können auch den Lift nehmen, wenn Sie wollen.«
»Danke«, sagte ich. »Darauf verzichten wir.« Erstens konnte ich gut und gern allein laufen, und zweitens hatte ich von Aufzügen aller Art die Nase voll.
Es ging die breiten Stufen hoch. Sie waren belegt mit wertvollem Stein, der wie Eis schimmerte.
In diesem Haus befand sich nicht nur die Firma dieser Sharon Lane. Es gab noch andere. Zwei Makler unterhielten hier ihre Büros ebenso wie eine kleine Werbeagentur.
In der ersten Etage war es hell und freundlich. Licht drang durch große Fenster. Man konnte sich als Besucher nur wohl fühlen. Trotzdem hatte mich ein ungutes Gefühl erfasst. Es hing einfach mit den heutigen Angriffen zusammen. Ich hatte meine Probleme, wenn ich daran dachte, dass diese Idylle blitzartig durch diesen Schattenkiller gestört wurde, der Manhattan unsicher machte. Da konnte die normalste Umgebung innerhalb kürzester Zeit zu einer tödlichen Falle werden.
Gespannt war ich auf Sharon Lane. Sie führte eine Begleitagentur. Diese Firmen hatten keinen guten Ruf. Man vermutete sie kaum in einer derartigen Umgebung, aber auch hier hatten sich die Zeiten geändert. Das Schmuddelimage von früher war verschwunden. Zumindest bei gewissen Firmen. Es gab eben auch hier die großen Unterschiede. Im Prinzip jedoch blieb alles gleich.
Auch die Herren, die sich Frauen über eine Begleitagentur kommen ließen, wollten letztendlich nur Sex.
Eine rot lackierte Tür erregte unsere Aufmerksamkeit. Wir mussten nicht klopfen. Eine Klingel in der Mitte machte uns klar, was zu tun war.
Wenig später hörten wir ein Summen.
»Verdammt nobel«, meinte Abe und drückte die Tür auf.
Es blieb auch nobel. Die Einrichtung war sehr modern. Viel Glas, ein hellgrauer Teppichboden. Metall glänzte ebenfalls in der Sonne. Die Ränder der Regale bestanden aus diesem Material. Selbst die Akten sahen dort vornehm aus.
Ich ging hinter meinem Freund her auf einen Schreibtisch zu, der peinlich aufgeräumt aussah. Auch er besaß eine Glasplatte, sodass wir durch sie auf die Beine der Frau schauen konnten, die hinter dem Schreibtisch auf einem bequemen Lederstuhl saß und uns lächelnd entgegenschaute.
Sharon Lane war eine Augenweide. Bei ihr floss das schwarze Haar bis auf die Schultern. Es hätte eigentlich keine Spange gebraucht, aber sie hatte sich dieses Teil in die Haarflut gesteckt, als wäre sie eine Königin, die ihre Krone aufgesetzt hatte.
Das schwarze Kostüm sah sehr vornehm aus. Der spitze Ausschnitt ließ nicht erkennen, ob sie etwas darunter trug. Aber der Hals wurde von einer matten Goldkette geschmückt. Sie reichte uns ihre Hand. Gepflegte Fingernägel, matt lackiert, fielen mir auf, und als ich in das Gesicht schaute, da musste ich mir eingestehen, dass diese Frau es verstand, sich perfekt zu schminken. Da war nichts zu viel aufgetragen. Hier herrschte wirklich die Perfektion.
Das Gesicht war schön. Vom Alter her schätzte ich sie auf 40, aber ich sah auch, dass dieses Gesicht nicht lebte. Ich wollte es nicht mit dem einer Justine Cavallo vergleichen, aber es kam mir so kontrolliert vor. Sie wusste genau, wann sie lächeln musste und wann nicht. Und wenn sie es tat, dann hatte sie es unter Kontrolle.
»Ich freue mich, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben.« Sharon erhob sich und deutete auf eine kleine Gruppe von vier Sesseln, die um einen Glastisch standen.
Durch ein großes Fenster fiel weniger Licht. Ein Faltrollo war nach unten gezogen worden.
Ich fühlte mich noch immer nicht wohler in dieser Atmosphäre. Sie war mir zu kalt, aber eine Sharon Lane passte einfach
Weitere Kostenlose Bücher