Blutnebel
Blick mit Rollins. »Würden Sie sagen, dass Sie den Kontakt zueinander abgebrochen hatten?«
Sarah hob ruckartig den Kopf. »Natürlich nicht«, fauchte sie. »Wir haben uns immer nahegestanden. Wir … Neulich gab es Unstimmigkeiten, aber das werden wir schon klären. Bestimmt. Ich glaube nämlich nicht, dass das hier Cassie ist. Sie haben sie falsch identifiziert.«
»Ich hoffe, Sie haben recht, Ma’am.« Ein unbekannter Assistent erwartete sie vor der Tür zur Leichenhalle. Ramsey überlegte kurz, wo Don Wilson sein mochte, ehe sie weiter in Sarah drang. »Was für Probleme hatten … haben Sie denn mit Ihrer Schwester?«
Ein weiterer Schatten zog über Sarahs Gesicht und verstärkte Ramseys vorherigen Eindruck. »Ach … Sie wissen schon. Männerprobleme.«
Sie verstummte, als der Assistent sie an die Wand mit den metallenen Fächern führte und die Bahre mit der Toten herauszog. Ramsey und Mark platzierten sich unauffällig rechts und links von Sarah, als das Tuch vom Gesicht der Leiche gezogen wurde.
Sarah Frosts erstickter Schrei hallte von den Wänden und den Chromtischen im Raum wider. Ramsey fing sie gerade noch auf, als ihre Knie nachgaben.
»Cassie! Oh mein Gott, Cassie!«
Rollins bedeutete dem Assistenten, die Tote wieder zu bedecken, während Ramsey die mittlerweile schluchzende Frau zur Tür brachte. Heftige Weinkrämpfe durchzuckten ihren Körper. Einen Arm um Sarahs Schulter gelegt, führte Ramsey sie den Flur entlang und in die Halle, wo die Empfangsdame nach einem kurzen Blick in ihre Richtung rasch in einem Hinterzimmer verschwand, damit sie ungestört waren.
»Mein herzliches Beileid, Sarah«, murmelte Ramsey mit zugeschnürter Kehle. Sie registrierte das schlechte Gewissen in der Verzweiflung der anderen Frau. Die Tragödie des Verlusts ließ die Hinterbliebenen ihre Versäumnisse stets umso intensiver empfinden. Sie vergrößerte jede Kränkung, die sie dem Verstorbenen zugefügt haben mochten, und erinnerte sie an alles, was sie getan oder nicht getan hatten.
»Es ist meine Schuld.« Ramsey konnte die Worte kaum verstehen, doch fiel ihr auf, dass Rollins angestrengt lauschte. »Sie wäre nicht hier gelandet, wenn ich nicht wäre. Es ist alles meine Schuld.«
Ramsey führte sie zu einer Bank im Vorraum und half ihr beim Hinsetzen, ehe sie neben ihr Platz nahm. Rollins stellte sich neben sie, wobei sein Unbehagen nicht zu übersehen war. Zweifellos war es ihm recht, dass sich Ramsey der aufgelösten Frau annahm.
»Warum sagen Sie das?« Auf einem Tisch in der Nähe stand eine Box Kleenex-Tücher, vermutlich genau für solche Gelegenheiten, und so zerrte Ramsey ein paar heraus und drückte sie Sarah in die Hand.
»Quinn … er war mit Cassie verlobt.« Schwer atmend stieß Sarah die Worte zwischen einzelnen Schluchzern hervor. »Sie wollten eigentlich letztes Jahr heiraten. Aber wir … er und ich … es war einfach so stark, verstehen Sie?« Mit tränennassen Augen sah sie flehend zu Ramsey auf. »Wir wollten das nicht. Aber es war, als wären wir füreinander bestimmt. Cassie war so verletzt. So … niedergeschmettert.«
»Dann hat sie die Verlobung also gelöst?«
»Das war Quinn. Wir haben es ihr gemeinsam gesagt. Es war eine ziemlich schreckliche Szene.« Erneut drohten der Frau die Gesichtszüge zu entgleisen. »Wir haben alle drei verletzende Dinge gesagt. Zwei Wochen später hat sie ihre Sachen gepackt und ist weggezogen. Seitdem habe ich nur noch ein paarmal mit ihr gesprochen.« Rollins hatte inzwischen sein Notizbuch gezückt und aufgeschlagen.
»Wie heißt Quinn mit Familiennamen?« Ramsey reichte der anderen Frau die ganze Kleenex-Box.
»Sanders. Er hat ein Fitnessstudio in Memphis. Da kommen wir auch her.«
»Wann ist Cassie weggezogen?«
»Letztes Jahr im April. Sie wollten ursprünglich im Mai heiraten.«
»Hat Quinn, soweit Sie wissen, seitdem mit Cassie gesprochen?«
Sarah schüttelte den Kopf und schnäuzte sich heftig. Obwohl sie allmählich ruhiger wirkte, liefen ihr die Tränen immer noch die Wangen hinab. »Wir hielten es für das Beste, wenn er jeglichen Kontakt zu ihr abbricht. Ich habe zwar versucht, sie öfter anzurufen, aber sie ist meistens nicht rangegangen.«
»Was ist passiert, als Sie sie das letzte Mal gesprochen haben?« Als die Frau sie lediglich ansah, holte Ramsey weiter aus. »Sie haben gesagt, Sie hätten sie seit sechs Monaten nicht gesprochen. Aber irgendwann nach Ihrem letzten Gespräch muss sie ihren Job aufgegeben haben und
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