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Blutnetz

Blutnetz

Titel: Blutnetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Justin Scott
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sich zu ihnen an den Tisch. Die Chinesen waren so schweigsam wie Sphinxen, ganz gleich, was Bell sagte, um sie in ein Gespräch zu verwickeln, während sich der Schriftsteller in einem fort zu allem, was er sah, las oder mithörte, wortreich äußerte. Wing holte eine kleine Bibel aus seinem Jackett und begann darin zu lesen. Loh schaute währenddessen aus dem Fenster auf eine frühlingsgrüne Landschaft, die von weidendem Vieh bevölkert wurde.
    Isaac Bell wartete im Korridor vor Arnold Bennetts Privatabteil auf Louis Loh.
    Westlich von Rawlins, Wyoming, steigerte der Overland Limited auf dem Hochplateau das Tempo. Der Heizer schaufelte auf der Lokomotive ständig frische Kohlen in die Feuerung, und bei achtzig Meilen in der Stunde schwankte der Zug dann heftig auf den Gleisen. Als Bell den chinesischen Theologiestudenten durch den Korridor näher kommen sah, ließ er sich bei einem besonders heftigen seitlichen Ruck des Eisenbahnwagens gegen den kleineren Mann fallen.
    »Entschuldigung.«
    Er fand sein Gleichgewicht wieder, indem er sich an den Revers von Louis' Jackett festhielt. »Hat man Ihnen die Pistole im Seminar gegeben?«
    »Was?«
    »Diese Wölbung ist doch keine Bibel.«
    Der chinesische Student schien vor Scham im Boden zu versinken. »O nein, Sir. Sie haben recht. Es ist eine Pistole. Es ist nur, weil ich so ängstlich bin. Im Westen schlägt den Chinesen sehr viel Hass entgegen. Sie haben es im Frühstückswagen selbst erlebt. Alle denken, wir seien Opiumsüchtige oder Tong-Gangster.«
    »Wissen Sie überhaupt, wie man mit so einem Ding umgeht?«
    Sie standen dicht voreinander, fast auf Tuchfühlung. Bell hatte die Hände noch immer an den Revers des jungen Chinesen, der nicht ausweichen konnte. Louis senkte den Blick. »Nicht so richtig, Sir. Ich denke, ich muss zielen und dann abdrücken - aber es ist die abschreckende Wirkung, auf die es ankommt. Ich würde niemals richtig schießen.«
    »Darf ich die Waffe mal sehen, bitte?«, fragte Bell und hielt die Hand auf.
    Louis schaute sich um, vergewisserte sich, dass sie allein und unbeobachtet waren, und zog die Pistole vorsichtig aus der Tasche. Bell nahm sie. »Eine hervorragende Handfeuerwaffe«, stellte er fest. Er war überrascht, dass der Student eine Colt Pocket Hammerless gefunden hatte, die aussah, als sei sie frisch aus der Fabrik gekommen. »Woher haben Sie die?«
    »Ich habe sie in New York City gekauft.«
    »Da haben Sie einen guten Griff getan. Wo in New York City?«
    »In einem Laden in der Nähe des Polizeipräsidiums. In der Innenstadt.«
    Bell achtete darauf, dass die Pistole gesichert war, dann gab er sie zurück. »Sie können sich sehr leicht selbst verletzen, wenn Sie mit einer Pistole herumfuchteln, von der Sie nicht wissen, wie sie funktioniert. Sie können sich durchaus selbst einen Schuss verpassen. Oder jemand nimmt Ihnen die Waffe weg und benutzt sie gegen Sie - und kommt am Ende damit durch, indem er sich auf Notwehr beruft. Mir wäre wohler, wenn Sie mir versprächen, die Pistole zumindest für den Rest dieser Zugfahrt in Ihren Koffer zu packen und dort zu lassen.«
    »Ja, Sir, Misser Bell.«
    »Falls Ihnen jemand im Zug Schwierigkeiten machen sollte, kommen Sie zu mir.«
    »Bitte erzählen Sie Mr Bennett nichts davon. Er würde es nicht verstehen.«
    »Warum nicht?«
    »Er ist ein gütiger und freundlicher Mensch. Er hat keine Ahnung, wie grausam andere Menschen sein können.«
    »Packen Sie die Pistole in Ihren Koffer, und ich werde ihm nichts verraten.«
    Louis ergriff Beils Hand mit seinen beiden Händen. »Vielen Dank, Sir. Vielen Dank für Ihr Verständnis.«
    Beils Gesicht wurde zu einer starren Maske. »Stecken Sie sie in Ihren Koffer«, wiederholte er.
    Der Chinese eilte durch den Korridor und über die Plattform in den nächsten Wagen, in dem Bennett sein Abteil hatte. Louis wandte sich noch einmal um und winkte dankend. Bell revanchierte sich mit einem Kopfnicken, als dächte er: Was für ein frommer junger Bursche.
    In Wahrheit vermutete er, dass die noch so jung aussehenden Missionsstudenten durchaus Tong-Gangster sein konnten. Und wenn sie es waren, dann konnte er John Scullys Scharfsichtigkeit nur bewundern.
    Kein anderer Detektiv in der Van Dorn Agency würde allein nach Chinatown gehen und zwei Wochen später zwei Tong-Gangster mit dem Hull-44-Spionagcring in Verbindung bringen. Er hätte Louis Loh und Harold Wing am liebsten Handschellen angelegt und sie im Gepäckwagen eingeschlossen, hätte er nicht

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