Blutnetz
gewichtige Zweifel gehabt, dass Louis und Harold Führungspositionen innehatten, wenn sie überhaupt Gangster waren. Und wenn sie Handlanger waren, würden sie ihn vielleicht zu ihrem Boss führen.
Dass der Spion chinesische Tong-Gangster rekrutiert hatte, war für seine internationalen Kontakte ganz typisch. Schwer vorstellbar, dass jemand wie Abbington-Westlake auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet hätte. Dass der Spion es so raffiniert eingefädelt hatte, dass ein berühmter englischer Schriftsteller als Tarnung für seine Agenten diente, zeugte von einer gleichermaßen wachen wie geradezu teuflischen Phantasie.
»Sie sind dran, Whitmark. Rein oder raus?«
Ted Whitmark wusste genau, dass er bei einer Runde Seven Card Stud niemals in der Hoffnung mitbieten sollte, einen Inside Straight aufzufüllen. Die Chance dazu war verschwindend gering. Er brauchte eine Vier. Im Kartenstapel gab es nur vier Vierer: Herz, Karo, Pik und Kreuz. Und die Kreuz-Vier war bereits an eine Hand auf der anderen Seite des Tisches gegeben worden, und dieser Mann hatte gesetzt, als er die Karte erhielt, was darauf schließen ließ, dass eine weitere Vier bei seinen verdeckten Karten lag. Vier Vieren in einem Kartenspiel, eine war schon weg, eine zweite möglicherweise ebenfalls. Die Chance war geringer als gering, sie war nicht einmal existent.
Aber er hatte bereits einen Riesenbatzen Geld in den Pot eingezahlt - und das Gefühl, dass ihm endlich das Glück lache. Es musste sein. Seine Pechsträhne hatte vor Wochen in New York begonnen, und sie zog ihn immer tiefer hinab. Noch mehr hatte er im Zug nach San Francisco verloren, und seit er angekommen war, hatte er fast jeden Abend einen hohen Verlust gemacht. Eine Vier ausgeteilt. Eine oder zwei vielleicht auch. Manchmal musste man den Stier bei den Hörnern packen und ganz einfach nur Mut haben.
»Sie sind an der Reihe, Whitmark. Rein oder raus?«
Kein »Mr« Whitmark mehr, bemerkte Ted. Das Mr war unter den Tisch gefallen, als er sich schon früh an diesem Abend die dritten fünftausend Dollar geliehen hatte. Manchmal musste man Mut beweisen.
»Rein.«
»Das wären dann achttausend.«
Whitmark schob seine Chips in die Mitte des Tisches. »Das sind drei. Und hier ist mein Schuldschein.«
»Sind Sie sicher?«
»Geben Sie die Karten.«
Der Kartengeber blickte über den Tisch, jedoch nicht zu Ted Whitmark, sondern zu dem pockennarbigen Inhaber des Barbary-Coast-Kasinos, der über die Kreditvergabe entschied. Der Inhaber runzelte die Stirn. Für einen kurzen Moment hatte Ted Whitmark das Gefühl, er sei gerettet. Er konnte nicht mitgehen, wenn er nicht das Geld dafür hatte. Also würde er passen. Er könnte in sein Hotel zurückkehren, sich ausschlafen und sich morgen einen Plan zurechtlegen, wie er seine Schulden von dem Geld begleichen würde, das die Navy ihm zahlte, nachdem er die bestellten Waren für die Große Weiße Flotte geliefert hätte. Oder auch für die Große Weiße »Küche«, wie einer seiner Konkurrenten es einmal treffend formuliert hatte. Vierzehntausend Seeleute brauchten Riesenmengen Proviant.
Der Kasinoinhaber nickte.
»Gib die Karten.«
Der Mann mit der Vier erhielt eine weitere Vier. Whitman musste sich mit einer Kreuz-Neun begnügen, was etwa die hässlichste Karte war, die er je gesehen hatte. Jemand setzte. Jemand ging mit. Die Vieren machten den Pot noch dicker. Ted Whitmark passte.
»Was dagegen, dass Sie mir nach der Runde Ihre letzte Karte zeigen?«, fragte Ted den Mann zu seiner Linken.
Als die Runde vorüber war und drei Vieren auf der anderen Seite des Tisches gewonnen hatten, sagte der Mann links von Ted, der die Karte erhalten hatte, die bei Ted gelandet wäre, wenn er hätte mitgehen können: »Es war eine Vier.« Dem Mann mit dem Vierer-Drilling auf der anderen Seite des Tisches rief er zu: »Die hätte Ihnen sicher gefallen. Dann hätten Sie einen sauberen Vierling gehabt.«
»Mir hätte sie auch gefallen«, sagte Ted und stolperte zur Bar. Ehe er ein Glas an die Lippen setzen konnte, näherte sich der Mann, dem das Kasino gehörte, und sagte: »Ich habe eine Nachricht von Tommy Thompson in New York für Sie.«
Ted duckte sich unter dem eisigen Blick des Mannes. »Keine Sorge«, murmelte er. »Ich bezahle Sie als Ersten, sobald ich kann.«
»Tommy sagt, Sie sollen an mich zahlen. Ich habe Ihren Schuldschein gekauft.«
»Zu dem, was ich Ihnen schulde? Sie gehen aber ein verdammtes Risiko ein.«
»Sie werden zahlen. Auf
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