Blutnetz
Auftrag in zwei Stunden ausgeführt ist.«
»Gemacht! Und Ihren Hut reinigen wir gratis.«
»Ich würde gerne Ihre Toilette benutzen. Und dann möchte ich mich in einen Sessel setzen, um für einige Zeit die Augen zu schließen.«
Im Spiegel über dem Waschbecken bemerkte er eine gewisse Erweiterung seiner Pupillen, die ihm verriet, dass er möglicherweise eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hatte. Hoffentlich war das alles. »Vielen Dank, Mr Schaf.«
Er wusch sein Gesicht, ließ sich in dem gewünschten Sessel nieder und schlief ein. Eine Stunde später erwachte er vom Rumpeln einer scheinbar endlosen Kette von Fuhrwerken und Lastwagen, die zum Marc Island Pier rollten. Jedes vierte Fahrzeug trug den Namenszug T. WHITMARK in großen Lettern auf der Seitenwand. Das Füttern hungriger Soldatenmäuler war offenbar ein einträgliches Geschäft für Ted.
Der Schneider hielt, was er versprochen hatte. Zwei Stunden nach seiner Ankunft in Vallejo verließ Isaac Bell die Fähre Pinafore und betrat den Mare Island Naval Shipyard. US Marineinfanteristen standen am Tor stramm. Bell zeigte den Passierschein vor, den Joseph Van Dorn vom Marineminister für ihn hatte ausstellen lassen.
»Bringen Sie mich zum Kommandanten.«
Der Kommandant hatte für Bell bereits eine Nachricht vom Bahnhof in Napa Junction.
»Meine Gastgeber veranstalten den Empfang gewöhnlich nach meiner Predigt«, sagte der englische Geistliche, Reverend J. L. Skelton.
»Auf Mare Island verfahren wir ein wenig anders«, sagte der Kommandant. »Bitte hier entlang, Sir. Ihr Begrüßungskomitee wartet schon.«
Indem er den Ellbogen des Geistlichen umfasste, führte ihn der Kommandant durch eine Kapelle, die von dem Licht, das aus Fenstern fiel, die im Tiffany-Stil gehalten waren, strahlend hell erleuchtet wurde, und stieß die Tür zum Büro des Militärpfarrers der Navy auf. Hinter einem wuchtigen Schreibtisch erhob sich Isaac Bell in seinem blütenweißen Anzug zu seiner vollen imposanten Größe.
Skelton wurde totenblass. »Nun, warten Sie, Gentleman, es ist nicht so, wie Sie denken.«
»Im Zug waren Sie ein falscher Schriftsteller«, stellte Bell fest. »Jetzt sind Sie ein falscher Priester.«
»Nein, ich gehöre wirklich dem Klerus an. Nun, ich gehörte ihm an ... ich wurde aus dem Priesteramt verstoßen, wissen Sie. Ein Missverständnis, Spendengelder ... eine junge Lady ... nun ja, Sie wissen ja, wie so etwas geschieht.«
»Warum haben Sie die Rolle Arnold Bennetts gespielt?«
»Mit ihm bot sich mir eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen konnte.«
»Gelegenheit?«
Skelton nickte eifrig. »Ich war am Ende der Fahnenstange angelangt. Gewisse Leute aus England hatten mich in New York aufgestöbert. Ich musste schnellstens die Stadt verlassen. Dieser Job war maßgeschneidert und kam mir wie gerufen.«
»Wer«, wollte Bell wissen, »hat Ihnen diesen Job gegeben?«
»Nun, Louis Loh natürlich. Und der arme Harold, der allerdings, wie ich annehme, nicht länger unter uns weilt.«
»Wo ist Louis Loh?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Das sollten Sie aber lieber sein«, schimpfte der Kommandant. »Sonst lasse ich es aus Ihnen herausprügeln.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Bell. »Ich bin sicher ...«
»Halten Sie sich mal zurück, Sir«, brüllte der Kommandant und schnitt ihm das Wort ab, wie sie es vorher vereinbart hatten. »Dies ist meine Werft. Ich verfahre mit Kriminellen so, wie ich es für richtig halte. Und jetzt: Wo ist der Chinese? Schnell, ehe ich einen Bootsmann rufe.«
»Mr Bell hat recht. Das wird nicht nötig sein. Alles ist ein großes Missverständnis, und ...«
»Wo ist der Chinese?«
»Als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, war er wie ein japanischer Obstpflücker gekleidet.«
»Obstpflücker? Was meinen Sie?«
»Wie die Obstpflücker, die wir in Vaca vom Zug aus gesehen haben. Sie haben sie doch ebenfalls gesehen, Mr Bell. Diese Scharen von Japanern, die zum Pflücken von Obst eingestellt wurden. Von Beeren und so weiter ...«
Bell schaute zum Kommandanten. Ein Kopfnicken bestätigte, dass es den Tatsachen entsprach.
»Was trug er?«, fragte Bell.
»Strohhut, kariertes Hemd, Latzhose.«
»War die Latzhose ein Overall? Mit einem Latz?«
»Ja. Genauso wie ein japanischer Obstpflücker.«
Bell wechselte einen weiteren Blick mit dem Kommandanten. »Gibt es auf Mare Island Obstbäume?«
»Natürlich nicht. Es ist eine Schiffswerft. Und jetzt passen Sie gut auf, Sie sollten lieber
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