Blutnetz
Bruder heiraten.«
»Das ist mir egal. Außerdem bist du nicht mein Bruder. Du tust nur so.«
»Ich bin dein Beschützer«, sagte er. »Ich habe geschworen, dass dir niemand je ein Leid zufügen wird.«
»Was denkst du denn, was du im Augenblick tust?«
»Hör auf mit diesem Unsinn, mich heiraten zu wollen . Du weißt, dass ich dich liebe. Aber nicht auf diese Art und Weise.«
Tränen funkelten wie Diamanten zwischen ihren Wimpern.
Er reichte ihr ein Taschentuch. »Trockne deine Augen. Wir haben noch einiges zu tun.«
Sie tupfte die Augen ab, so dass die Tränen von dem schneeweißen Leinen aufgesogen wurden. »Ich dachte, wir wollten verschwinden.«
»Mit einem Knall zu verschwinden macht noch einiges an Arbeit erforderlich.«
»Was soll ich tun?«, fragte sie mürrisch.
»Ich darf diesmal nicht zulassen, dass mir Isaac Bell in die Quere kommt.«
»Warum tötest du ihn nicht?«
O'Shay nickte nachdenklich. Katherine war tödlich, eine perfekt konstruierte und justierte Maschine, die überhaupt nicht durch Gewissensbisse oder Reue beeinträchtigt wurde. Aber jede Maschine hatte ihre physikalischen Grenzen. »Du würdest nur Schaden nehmen. Bell ist mir zu ähnlich, ein Mann, der nicht leicht zu töten ist. Nein, ich will nicht, dass du das Risiko eingehst, das der Versuch, ihn zu töten, bedeuten würde. Aber ich will, dass er abgelenkt wird.« »Möchtest du, dass ich ihn verführe?«, fragte Katherine. Sie zuckte vor dem wütenden Ausdruck zurück, der O'Shays Gesicht plötzlich zu einer Fratze verzerrte.
»Habe ich jemals von dir verlangt, so etwas zu tun?«
»Nein.«
»Würde ich so etwas jemals von dir verlangen?«
»Nein.«
»Es trifft mich tief, dass du so etwas überhaupt sagen kannst.«
»Es tut mir leid, Brian. Es war dumm von mir.« Sie griff nach seiner Hand. Er zog sie weg, sein normalerweise glattes und kontrolliertes Gesicht war gerötet, die Lippen hatte er zu einer schmalen, harten Linie zusammengepresst, die Augen blickten eisig kalt.
»Brian, ich bin kein kleines Kind.«
»Wie und wo du deine Verführungskünste einsetzt, ist ganz allein deine Sache«, sagte er kühl. »Ich habe dafür gesorgt, dass du über die Mittel und die Eigenschaften verfügst, wie nur privilegierte Frauen sie besitzen. Aber ich will, dass eines ganz klar ist, nämlich dass ich dich niemals auf diese Art und Weise benutzen würde.«
»Welche Art und Weise? Als Verführerin? Oder als in Aussicht gestellte Belohnung?«
»Junge Dame, du fängst an, mich zu ärgern.«
Katherine Dee ignorierte den gefährlichen Unterton in seiner Stimme, da sie wusste, dass er zu vorsichtig war, um seine Wut an den Möbeln im Palm Court auszulassen. »Nenn mich nicht so. Du bist nur zehn Jahre älter als ich.«
»Zwölf. Und meine Jahre zählen Sicherlich doppelt, während ich mich bemüht habe, Himmel und Erde zu bewegen, um dir unbeschwerte junge Jahre zu ermöglichen.«
Kellner eilten herbei. Mündel und Beschützer saßen in eisigem Schweigen, bis der Kuchen serviert und der Tee eingeschenkt war.
»Wie möchtest du, dass ich ihn ablenke?« Wenn er in diese Stimmung geriet und diesen Ton anschlug, konnte man nichts anderes tun, als klein beizugeben.
»Die Verlobte ist der Schlüssel.«
»Sie traut mir nicht.«
»Wie meinst du das?«, fragte O'Shay scharf.
»Als ich während des Stapellaufs der Michigan versucht habe, ihr gegenüber ein wenig vertraulicher zu werden, hat sie sich zurückgezogen. Sie spürt etwas bei mir, das ihr Angst macht.«
»Vielleicht hat sie übersinnliche Fähigkeiten«, sagte O'Shay, »und kann deine Gedanken lesen.«
Ein Ausdruck, zutiefst trostlos und wissend zugleich, verwandelte Katherine Dees Gesicht in eine leblose Maske aus antikem Marmor. »Sie liest in meinem Herzen.«
46
»Ihre Verlobte verlangt Sie am Telefon, Mr Bell.«
Der hochgewachsene Detektiv stand an seinem Schreibtisch im Knickerbocker Hotel und überflog ungeduldig die Berichte, immer auf der Suche nach ein paar handfesten Informationen über den Aufenthaltsort von Eyes O'Shay oder den Verbleib der gestohlenen Torpedos. Später wollte er sich wieder auf die Straße begeben, um die Jagd nach Billy Collins fortzusetzen.
»Was für eine nette Überraschung.«
»Ich bin auf der anderen Straßenseite im Hammersmith Victoria Theater«, sagte Marion Morgan.
»Geht es dir gut?« Sie klang nicht so, als sei alles okay. Ihre Stimme war angespannt.
»Könntest du vorbeikommen, falls du einen Moment Zeit hast?«
»Ich bin
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