Blutnetz
gelangte auf die Madison Avenue.
Er ging die Madison Avenue hinauf, achtete weiterhin auf das, was hinter ihm geschah, bog in die 55th Street ein und machte am St. Regis Hotel Halt. In der Bar genehmigte er sich einen Drink und schwatzte mit dem Barkeeper, dem er wie immer ein reichliches Trinkgeld zukommen ließ, während er das Foyer beobachtete. Dann drückte er einem Pagen ein paar Münzen in die Hand, damit dieser ihn durch den Personaleingang wieder hinausließ.
Nur kurze Zeit später betrat er das Plaza Hotel. Auf dem Palm Court in der Mitte des Parterres blieb er stehen. Die Gäste, die an den kleinen Tischen saßen und ihren Nachmittagstee einnahmen, waren Mütter mit Kindern, Tanten und Nichten - und hier und da auch ein älterer Gentleman, der offenbar in seine eigene Tochter verliebt war und mit ihr herumschäkerte. Der Empfangschef verbeugte sich tief.
»Ihr gewohnter Tisch, Herr Riker?«
»Danke sehr.«
Herrn Rikers gewohnter Tisch gestattete ihm, das Foyer in beiden Richtungen zu überblicken, während er sich hinter einem Wald aus Topfpalmen verstecken konnte, in dem Dr. Livingstone und Henry Stanley sich hätten zu Hause fühlen können.
»Wird Ihr Mündel Ihnen Gesellschaft leisten, Sir?«
»Das hoffe ich doch von ganzem Herzen«, erwiderte er mit einem vornehmen Lächeln. »Bestellen Sie Ihrem Kellner, dass wir an unserem Tisch nur etwas Süßes haben wollen. Keins von diesen kleinen Sandwiches. Bloß Kuchen und Schlagsahne.« »Natürlich, Herr Riker. Wie immer, Herr Riker.«
Katherine verspätete sich wie üblich, und er nutzte die Zeit, um sich auf eine, wie er wusste, schwierige Diskussion vorzubereiten. Dazu fühlte er sich in jeder Hinsicht bereit, als sie aus dem Fahrstuhl kam. Ihr Nachmittagskleid war eine Wolke aus blauer Seide, die zu ihren Augen passte und der Farbe ihres Haars schmeichelte.
O'Shay erhob sich, während sie zu seinem Tisch kam, ergriff ihre behandschuhten Hände und sagte: »Sie sind eine wahre Schönheit, Miss Dee.«
»Vielen Dank, Herr Riker.«
Katherine Dee lächelte und bekam kleine Grübchen. Doch als sie sich niederließ, blickte sie ihm auf ihre direkte Art ins Gesicht und sagte: »Du siehst so ernst aus - so Mündel-und-Beschützer-ernst. Was ist mit dir, Brian?«
»Selbsternannte ›gute Kämpfer ‹ , die ›gute Kriege‹ ausfechten, beschuldigen mich voller Verachtung, ein Söldner zu sein. Ich betrachte es als Bestätigung meiner Intelligenz. Denn für einen Söldner ist der Krieg vorbei, wenn er ihn für beendet erklärt. Er zieht sich dann als Sieger zurück.«
»Ich hoffe, du hast Whiskey und keinen Tee bestellt«, sagte sie.
O'Shay lächelte. »Ja, ich weiß, ich schwadroniere wieder. Dabei versuche ich doch nur, dir klarzumachen, dass wir uns im Endspiel befinden, Liebste.«
»Was meinst du?«
»Es wird Zeit zu verschwinden. Wir werden uns zurückziehen - unsere Zukunft sichern -, und zwar mit einem Knall, den sie nie vergessen werden.«
»Wohin?«
»Wo sie uns wie Fürsten behandeln werden.« »Oh, nicht nach Deutschland!«
»Natürlich nach Deutschland. Welches Land würde uns denn sonst aufnehmen?«
»Wir könnten nach Russland gehen.«
»Russland ist ein Pulverfass, das nur darauf wartet, gezündet zu werden. Ich werde dich ganz sicher nicht vom Regen, möglicherweise entlarvt zu werden, in die Traufe einer Revolution bringen.«
»Oh, Brian.«
»Wir werden leben wie die Könige. Und die Königinnen. Wir werden sehr reich sein und dich mit jemandem aus königlichem Geschlecht verheiraten ... Was ist los? Warum weinst du?«
»Ich weine nicht«, sagte sie, während ihre blauen Augen von Tränen überquollen.
»Was ist los?«
»Ich möchte keinen Prinzen heiraten.«
»Wärst du denn mit einem preußischen Adligen mit einer tausend Jahre alten Burg zufrieden?«
»Hör damit auf!«
»Ich habe so einen im Sinn. Er ist attraktiv, bemerkenswert gescheit, wenn man seine Ahnenreihe bedenkt, und dazu noch überraschend einfühlsam. Seine Mutter könnte einem gelegentlich lästig fallen, aber da sind auch noch ein Stall voller Araberpferde und eine wunderschöne Sommerresidenz an der Ostsee, wo eine junge Frau nach Herzenslust segeln kann. Dort könnte sie sogar für den olympischen Segelwettbewerb trainieren ... Warum weinst du?«
Katherine Dee legte ihre kräftigen Hände auf den Tisch und sagte mit klarer, gleichmäßiger Stimme. »Ich will dich heiraten.« »Liebe, liebe Katherine. Das wäre so, als würdest du deinen eigenen
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