Blutnetz
Ruß vertrieb.
Er suchte sich seine Fähre nicht nach ihrem Ziel aus, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Matrosen bereits im Begriff waren, das Scherengitter zu schließen, so dass kein Passagier mehr an Bord kommen konnte.
»Nicht so eilig, Chinaboy!«, brüllte ihm ein Matrose ins Gesicht.
Yamamoto Kenta hatte bereits zehn Dollar in der Hand. Da bekam der Mann beim Anblick des Geldsegens große Augen und rief, während er gierig danach griff: »Nur zu, Sir! Beeilen Sie sich!«
Yamamoto Kenta schlängelte sich an ihm vorbei und schlug sofort den Weg zur Treppe ein, die zum oberen Deck führte.
Die Dampfpfeife stieß ein schrilles Signal aus. Das Deck hörte auf zu zittern, als die Schrauben stoppten, die das Schiff in Position gehalten hatten. Dann erbebte die riesige Fähre von einem bis zum anderen Ende, während die Schrauben die Drehrichtung änderten und das Schiff seinen Liegeplatz am Pier verließ.
Yamamoto Kenta erreichte die mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Treppe, die sich in einem eleganten Bogen in die Höhe schwang. Zum ersten Mal drehte er sich zu einem schnellen Blick über die Schulter um. Er sah Isaac Bell in vollem Tempo zum Ende des Piers rennen. An der Kante sprang er ab, um den Spalt zu überwinden, der sich schnell verbreiterte. Der japanische Spion wartete, um sich zu vergewissern, dass Bell ins aufgewühlte Wasser stürzte.
Isaac Bell landete jedoch so geschickt wie eine Seemöwe, ging zum Scherengitter und verwickelte die Matrosen in ein angeregtes Gespräch.
Yamamoto Kenta rannte die Treppe hinauf. Er zeigte seine Eisenbahnfahrkarte vor, um in den Herrensalon der ersten Klasse eingelassen zu werden, suchte dann sofort die Toilette auf, betrat eine Kabine und schloss die Tür hinter sich. Er drehte seinen hellbeigen Mantel um, so dass das schwarze Futter nach außen zeigte. Sein Hutband bestand aus mehreren Bahnen straff gefalteter Seide. Er wickelte es zu einem langen Schal auseinander, klappte die breite Krempe seines Panamahutes nach unten und fixierte ihn mit dem Schal auf dem Kopf. Der letzte Teil seiner Verkleidung befand sich in seiner Reisetasche. Als die Fähre schließlich anlegte, brauchte er nur zu warten, bis alle Männer die Erster-Klasse-Kabinen verlassen hatten. Er hatte gerade die Reisetasche geöffnet, als das Vibrieren der Schrauben unter seinen Füßen plötzlich stoppte.
Die Vorwärtsfahrt wurde so abrupt abgebremst, dass er sich an der Wand abstützen musste. Die Dampfpfeife ertönte dreimal. Die Schrauben rumpelten und ließen das Deck erzittern. Und zu Yamamoto Kentas Entsetzen änderte die riesige Fähre die Fahrtrichtung und kehrte an den Pier zurück, von dem sie soeben abgelegt hatte.
Der lauteste unter den Hunderten von Passagieren der Pennsylvania-Railroad-Fähre, deren Fahrt ein außerplanmäßiges Ende gefunden hatte, war ein Senator der Vereinigten Staaten. Er brüllte den Fährenkapitän wie ein wütender Löwe an. »Was in drei Teufels Namen geht hier vor? Ich komme aus Washington, war den ganzen Tag unterwegs und komme jetzt zu spät zu einer Verabredung nach New York.«
Niemand wagte es, einen Senator, der ohne seine Ehefrau reiste, zu fragen, mit wem er denn nach Mitternacht verabredet war. Sogar der Fährenkapitän, ein altgedienter North-River-Fahrensmann, hatte nicht den Mut zu erklären, dass ein als Matrose verkleideter Van-Dorn-Detektiv ins Steuerhaus gestürmt war und aus seiner Brieftasche einen Eisenbahnpass hervorgezaubert hatte, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Das Dokument verlangte von allen Angestellten, ihm besondere Privilegien zu gewähren, die die eines Senators, der stets gewissenhaft für eisenbahnfreundliche Gesetze stimmte, noch überstiegen. Vom Präsidenten der Eisenbahnlinie handgeschrieben, unterzeichnet und versiegelt und von einem Bundesrichter bezeugt, setzte es jeden Fahrplan außer Kraft. Sein Inhaber brauchte sich in seinen Anweisungen lediglich an die Regeln des gesunden Menschenverstandes und an die Sicherheitsvorschriften zu halten.
»Woher haben Sie diesen Ausweis?«, hatte der Kapitän gefragt, während er sich beeilte, dem Maschinenraum den Befehl Maschinen stopp zu übermitteln.
»Der Präsident hat sich für einen Gefallen revanchiert«, hatte der Detektiv geantwortet. »Und ich erzähle dem Präsidenten immer wieder, wie zuvorkommend ich von seinen Angestellten behandelt werde.«
Daher erklärte der Kapitän dem Regierungsvertreter: »Ein Maschinenschaden, Senator.«
»Wie lange, zum
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