Blutrose
und schloss die Augen. »Wir werden uns sehen … bei der Arbeit.«
»Na schön«, sagte Riedwaan. »Dann sehe ich dich bei der Arbeit.«
24
Riedwaan Faizal lauschte dem lauten Klicken in der Stille, mit dem er den Hörer auflegte. Dann öffnete er ein Fenster und ließ die kühle Kapstadtluft herein. Er hatte es Clare erzählen wollen. Noch heute Morgen hatte er es in seinem Auto geprobt: »Sie haben die Reise gecancelt. Sie haben die Reise gecancelt.«
»Sie haben die Reise gecancelt.« Wieder sagte er es laut vor sich hin. Ganz lässig. So musste es gehen, oder: »Shazia und Yasmin mussten die Reise canceln, darum …«
Darum was? Selbst er konnte sehen, wohin diese Verteidigungslinie führen würde.
»Ich komme nicht«, hatte seine Frau gesagt, als sie am Vorabend bei ihm zu Hause angerufen hatte und er schon zwei Whiskys intus hatte. »Ich will die Scheidung. Du willst die Scheidung. Ich kann es mir nicht leisten, jetzt zurückzukommen,
darum habe ich die Tickets storniert. Yasmin wird dich Ende des Jahres besuchen kommen. Wenn du dann Urlaub nehmen kannst. Ach ja, und ich sollte dir noch sagen, dass ich jemanden kennengelernt habe.« Shazia hatte kurz innegehalten, und in jenem atemlosen transatlantischen Moment hatte ihn die Erinnerung an ihre Geschmeidigkeit, ihren Eifer als junge Braut so unmittelbar überfallen, dass er einen Augenblick das leise Zimtaroma ihrer Haut zu riechen meinte.
»Ich möchte wieder heiraten«, hatte sie ihm offenbart.
»Das freut mich für dich«, hatte Riedwaan mit zusammengebissenen Zähnen erklärt, und dann hatte sie aufgelegt.
Riedwaan hatte versucht, Clare direkt nach Shazias Anruf zu erreichen. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sie an ihr Handy gegangen wäre. Dann hätte er es direkt, ungefiltert, weitererzählen können. Aber sie hatte das Gespräch nicht entgegengenommen, dachte er, während er zusah, wie Superintendent Phiri einparkte. Der Mann setzte vor und zurück, bis sein Pickup mit viersitziger Kabine so exakt stand, dass man daran ein geometrisches Theorem hätte demonstrieren können. Als sein Chef über den Schotter gestiegen und im Gebäude verschwunden war, kehrten Riedwaans Gedanken zu seiner Frau zurück. Seiner zukünftigen offiziellen Exfrau. Ein primitiver Teil seines Hirns wollte den Kerl ausfindig machen, der mit Shazia schlief, und ihm den Schädel einschlagen, während ihn gleichzeitig eine tiefe Erleichterung angesichts dieser Lösung überlief.
Er goss sich eine Tasse Kaffee ein, seine dritte, und schob die Hand in die Tasche, um nach seinen Zigaretten zu tasten. Seine Hand schloss sich um das Fax, das Yasmin ihm geschickt hatte. Endschuldigung für meine Tränen, weil wir dich doch nicht besuchen komen. Vielleicht im Dezember. Zu meinem Geburtstag. Die Tränenflecken in der Tinte hatte sie eingekreist.
Riedwaan zündete sich eine Zigarette an, presste die Hand auf die Augen und rief die grauenvolle Erinnerung an die Entführung
seiner Tochter wach. Damals während Yasmins Entführung war er mit Clare zusammengekommen. Sie hatte das Profil der Männer erstellt, die seine Tochter entführt hatten, und sie hatte die Täter gemeinsam mit ihm aufgespürt.
Er und Clare. Sie waren ein gutes Team. Beruflich.
»Was soll das lange Gesicht?« Rita Mkhize kam hereinspaziert und errettete Riedwaan aus seinen konfusen Gedanken.
»Frauenärger.«
»Gibt’s nicht«, sagte Rita. »Männerärger schon. Frauenärger nie.«
»Ach, wirklich?«, fragte Riedwaan. »Dann erklären Sie mir doch, warum Clare nicht mit mir reden will.«
»Abgesehen von der unerheblichen Tatsache, dass Sie vergessen haben, ihr zu erzählen, dass Ihre Frau zu Ihnen zurückkommen will?«
»Sie hat die Reise abgesagt.«
»Sie sagt also die Reise ab, und Sie rufen sofort bei Clare an, um ihr zu eröffnen, dass alle Probleme nun gelöst sind, weil Shazia in Kanada bleibt?«
»Na ja …« Riedwaan suchte nach einer Möglichkeit, sich in ein besseres Licht zu rücken. Es gab keine.
»Und Clare ist immer noch wütend?«
»Ja.«
»Und Sie können sich nicht vorstellen, warum?«
»Weil ich es ihr nicht gesagt habe?«, schlug er vor.
»O mein Gott.« Rita schlug die flache Hand gegen die Stirn. »Ein Diplom in weiblicher Psychologie ist Ihnen sicher.«
»Was schlagen Sie mir also vor?«
»Zu Kreuze kriechen«, sagte Rita. »Das ist immer ein guter Anfang. Wenn ich dabei zuschauen darf, werde ich sogar ein gutes Wort für Sie einlegen.«
»Ich weiß, dass ich nicht der
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