Blutrot - Die Farbe der Lust - Page, S: Blutrot - Die Farbe der Lust
sich nicht einmal auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren. Sie wollte nur weiter von Sex mit den beiden Vampiren träumen.
Hör sofort damit auf , befahl Althea. Sie verdrängte die Gedanken an das dämmrige Schlafzimmer aus ihrem Traum und zwang sich, in die Welt hinauszuschauen.
Blasses Sonnenlicht strich über die mit Stroh gedeckten Dächer. Schafe grasten auf den frischen, grünen Feldern. Die Kutsche fuhr an einem gichtig zusammengekrümmten Schäfer vorbei, der seine Herde vor sich hertrieb. Zwei junge Frauen mit Hauben und schlammbespritzten Röcken hielten große Blumensträuße in den behandschuhten Händen.
Ein idyllischer Ort – genau richtig, um einen Vampir zu verstecken. Und dies war auch kein Ort, um sich wie eine … eine Hure zu verhalten. Aber genau das hatte Althea getan …
„Althea, Liebes?“
Die sanfte, freundliche Stimme ihres Vaters riss sie aus ihren Überlegungen wie ein Schlag auf die Hand.
Sie drehte sich zu ihm um. In ihren Augen brannten Tränen. Was sollte sie ihm antworten?
„Aber ich kann und will dich nicht mitten in diesem schweren Kampf alleinlassen.“
„Ich werde es überstehen. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Sein Lächeln strahlte Zuversicht aus, aber sie spürte einen Stich in die Magengrube. Althea atmete tief durch.
„Ich möchte aber bei dir bleiben. Ich mag dieses Leben.“
„Das weißt du doch gar nicht, Liebes. Ich habe dir nie die Chance gegeben, ein normales Leben zu führen.“
„Aber ich mache mir nichts aus Bällen, aus der feinen Gesellschaft. London würde sich für mich nie normal anfühlen.“ Warum sollte sie die Jagd aufgeben und gegen ein zurückgezogenes, langweiliges Leben eintauschen?
Und sie legte keinen Wert auf die feine Gesellschaft. Sie hatte Yannick – einem Vampir! – gestattet, sich schändliche Freiheiten herauszunehmen. Und sie hatte diese Freiheiten, die er sich nahm, ebenfalls genossen. Während ein Gentleman jederzeit so etwas tun konnte – unverheirateten Frauen war das nicht gestattet. Wie sollte sie diese höflichen, keuschen Küsse ertragen, wenn sie von wildem Sex mit zwei Vampiren träumte?
Durch das Kutschenfenster sah Althea die großen Steinsäulen des Friedhoftors. Sie waren da.
„London wird sich schon bald normal für dich anfühlen, mein Mädchen. Und natürlich wirst du irgendwann heiraten wollen.“
Sie passierten die ersten Grabsteine. Manche waren schon einige Hundert Jahre alt. Sie waren vom Zahn der Zeit verwittert und ausgeblichen, manche auch zerbrochen. Die Kutsche knirschte über den Kies an Steinkreuzen und einer großen Krypta vorbei. Knorrige Eichen streckten ihre Äste über den alten Gräbern aus, und die Zweige wiegten sich sanft im Wind und malten tanzende Schatten. Huschende Geister, dachte sie.
So wild schlug auch ihr Herz. Geheimnisse und Abenteuer umgaben sie. Sie würde an einer unaussprechlichen Zeremonie teilnehmen.
Sie wollten einen Untoten zurück ins Leben holen.
Wie konnte man das mit einem albernen Ball vergleichen?
Behutsam strich Althea über den kleinen Kasten auf ihrem Schoß. „Die Wahrheit ist: Ich will nicht heiraten. Ich will Vampire jagen.“
„Und ich will nachts ruhig schlafen, Althea. Du wirst heiraten.“ Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.
Argwöhnisch blickte Althea ihren Vater an. „Du hast doch nicht etwa schon jemanden ausgesucht, oder? Das würdest du nicht tun, nicht wahr?“
Die Kutsche kam zum Stehen.
„Natürlich nicht, Liebes.“ Die Tür wurde geöffnet. Sonnenlicht und der üppige Geruch der Frühlingserde machten Althea trunken. Vögel zwitscherten.
„Ich habe eine Dame beauftragt, dir bei der Suche zu helfen.“
Als ihr Vater mühsam aufstand, war Althea an seiner Seite und griff nach seinem Ellenbogen, um ihn zu stützen.
„Und wer ist diese Dame?“
„Die Frau meines alten Freundes Sir Randolph Peters. Er ist Mitglied der Royal Society.“
Angst und Überraschung griffen mit eisiger Hand nach ihrem Herz. „Eine Heiratsvermittlerin?“
Ihr Vater blickte betreten zu Boden. Er wirkte schuldbewusst, aber bevor er zu seiner Verteidigung ansetzen konnte, kam ihm Mick O’Leary zu Hilfe. Er lehnte sich von außen an die Tür. „Sind Sie so weit, Sir?“
Altheas Protest musste warten. Sie würde sich nicht die Blöße geben, vor Mr. O’Leary mit ihrem Vater zu streiten. Althea biss sich auf die Zunge und half ihrem Vater aus der Kutsche. Doch sie flüsterte: „Nein, Vater. Ich will keine Kupplerin. Und ich werde
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