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Blutrote Kuesse

Titel: Blutrote Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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allmählich wieder den braunen Farbton an, den sie zu Beginn unserer Begegnung gehabt hatten. Sie setzte sich, kaute einen Augenblick lang auf ihrer Unterlippe herum und nickte dann.
    »Abgemacht.«
    Danach ging alles ziemlich schnell über die Bühne. Francesca wusste nicht, wer Switch war, und auch über Hennesseys neue Verbindungen konnte sie nichts berichten, also sagte Bones ihr, wie sie ihn erreichen konnte, verriet ihr allerdings nicht seinen Aufenthaltsort. Spade meinte, er sei eine Weile unterwegs, um Nachforschungen über Hennessey anzustellen, er würde Bones später anrufen. Das war alles. Francesca und ich verabschiedeten uns nicht voneinander. Bones und ich ließen sie im Hotelzimmer zurück. Obwohl wir im zwanzigsten Stock waren, nahmen wir nicht den Aufzug. Bones deutete auf die Treppe, und ich begann zu laufen. Wenigstens hatte ich so noch etwas anderes zu tun, als nur vor Wut zu kochen.
    »Du hast mir noch nie etwas über die sozialen Strukturen der Vampire erzählt«, bemerkte ich ruhig. Ein Stockwerk hatten wir geschafft, blieben noch neunzehn.
    Bones warf mir einen unergründlichen Blick zu. Er hielt nicht länger meine Hand. Ich hatte die Fäuste in den Jackentaschen vergraben.
    »Du hast nie gefragt.«
    Im ersten Augenblick wollte ich wütend werden und ihm sagen, er solle nicht ausweichen. Ich hatte schon den Mund geöffnet, um einen ätzenden Kommentar abzufeuern, da dachte ich ausnahmsweise noch einmal nach und schloss ihn wieder.
    »Da hast du wohl recht.«
    Wäre er so oberflächlich gewesen wie ich, hätte er mich darauf hingewiesen, dass mich an Vampiren immer nur interessiert hatte, wie man sie umbringen konnte. Dass ich über Kultur, Glauben, Werte und Traditionen der Vampire nichts hatte wissen wollen, es sei denn, ich hätte dadurch Vorteile bei der Vampirjagd erlangt.
    Die Erkenntnis, dass ich mit dem Instinkt einer Killerin dachte, war ein ziemlicher Schock. Ich war erst zweiundzwanzig. Seit wann war ich so abgebrüht?
    »Wie hat alles angefangen?«, erkundigte ich mich ganz leise. »Wie sind die ersten Vampire entstanden?«
    Was für eine elementare Frage. Ich hatte sie mir nie gestellt.
    Bones lächelte fast. »Willst du die evolutionäre oder die kreatianistische Version?«
    Ich dachte einen Augenblick lang nach. »Die kreatianistische. Ich bin gläubig.«
    Unsere Schritte hallten in leisem Stakkato, während wir unseren Abstieg fortsetzten, und er sprach mit gedämpfter Stimme. Das Echo im Treppenhaus war laut. Es war zwar mitten in der Nacht, aber wir wollten trotzdem niemanden erschrecken, der zufällig etwas von unserer Unterhaltung mitbekam.
    »Am Anfang standen zwei Brüder, deren Lebenswandel und Lebensweise unterschiedlich waren, und einer von beiden beneidete den anderen. So groß war sein Neid, dass er zum ersten Mord der Geschichte führte. Kain erschlug Abel, und Gott verstieß ihn, verpasste ihm aber ein Mal, auf dass er sich von allen unterschied.«
    »Genesis, Kapitel vier«, flüsterte ich. »Mom hat großen Wert auf eine religiöse Erziehung gelegt.«
    »Der nächste Teil steht in keiner Bibel«, fuhr er fort und warf mir immer wieder Seitenblicke zu. »Das >Kainsmal< sollte seine Verwandlung zum Untoten symbolisieren. Zur Strafe für das Blut, das er vergossen hatte, wurde er dazu verdammt, es bis ans Ende seiner Tage zu trinken. Später reute es Kain, dass er seinen Bruder erschlagen hatte, und er erschuf sein eigenes Volk, seine eigene Gesellschaft. Sie existierte am Rande derjenigen, aus der er verstoßen worden war. Die Kinder, die er >zeugte<, waren Vampire, und sie zeugten wieder andere und so weiter und so fort. Fragt man natürlich einen Ghul, erzählt er einem eine andere Version der Geschichte. Ihnen zufolge wurde Kain zum Ghul, nicht zum Vampir. Darüber streitet man sich jetzt schon seit Urzeiten, aber Kain kann man ja schlecht fragen.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Er ist die untote Version des Allmächtigen. Wacht unsichtbar über seine Kinder. Wer weiß, ob es ihn überhaupt gibt? Oder ob Gott seine Schuld schließlich als abgegolten betrachtet und ihn wieder in sein Reich aufgenommen hat?«
    Ich ließ das auf mich wirken. Bones ging schneller.
    »Jetzt denkst du wohl, dass deine Mom recht hat, nicht wahr?«, fragte er resigniert. »Dass wir alle Mörder sind? Wir sind die Kinder des ersten Mörders der Geschichte, es sei denn, du vertrittst die Ansicht, dass Vampire und Ghule durch zufällige Mutation entstanden sind.«
    Ich ging neben ihm

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