Blutrote Kuesse
auf Sparflamme, von vielen Opfern weiß die Polizei auch gar nichts. Was die Untoten angeht, hat Hennessey seine Spuren sehr gut verwischt. Natürlich ist er verdächtig, aber niemand hat etwas gegen ihn in der Hand.«
Nun, da ich wusste, was in meinem eigenen Bundesstaat vorging, war Stephanies Verhalten völlig logisch für jemanden mit den Moralvorstellungen eines Krokodils. Der riesige, überfüllte Campus war ihr All-you-can-eat-Buffet gewesen; nur war das Essen nicht für sie bestimmt. Nein, sie war dafür zuständig gewesen, Hennesseys Kühlschrank zu füllen. Und ich war dank meiner Vorgeschichte die perfekte Mahlzeit. Stephanie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Man konnte mich ganz leicht verschwinden lassen, kaum jemand hätte Fragen gestellt, und alles wäre planmäßig gelaufen. Nur eine Kleinigkeit hatte sie eben nicht einkalkuliert.
»Wie lange hast du den Verdacht schon? Du hast mir erzählt, du seist seit elf Jahren hinter Hennessey her. Hast du die ganze Zeit gewusst, was er treibt?«
»Nein. Erst in den letzten zwei Jahren habe ich Näheres erfahren. Am Anfang habe ich ja noch nicht einmal gewusst, hinter wem oder was ich her war. Ein paar Dutzend Typen musste ich erledigen, um auch nur eine Ahnung davon zu bekommen, was vor sich ging.
Noch ein paar Dutzend, bis ich den Namen des mutmaßlichen Drahtziehers hatte.
Wie gesagt, er hat seine Spuren verwischt. Dann habe ich diejenigen unter seinen Gefolgsleuten zur Strecke gebracht, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt war. Sergio war einer von ihnen. Seit Jahren schon nehme ich seine Leute auseinander, aber nur diejenigen, bei denen ein Kopfgeld rausspringt. So hat Hennessey nicht gewusst, dass ich eigentlich hinter ihm her war. Er dachte, es ginge mir nur ums Geschäft. Jetzt weiß er allerdings, dass ich es auf ihn abgesehen habe und warum. Und alle anderen, die etwas damit zu tun haben, wissen es auch, denn er kann so etwas unmöglich alleine durchziehen.«
Das musste ich erst einmal verdauen.
»Gelingt es dir also, Hennessey auszuschalten, ist es womöglich noch immer nicht vorbei. Seine Partner könnten da weitermachen, wo er aufgehört hat. Hast du gar keine Ahnung, wer sie sein könnten?«
»Ein paarmal war ich knapp davor, es herauszufinden, aber... na ja. Immer kam etwas dazwischen.«
»Was zum Beispiel?«
»Du zum Beispiel. Wüsste ich es nicht besser, ich hätte geschworen, Hennessey hätte dich beauftragt. Du hast diese schreckliche Angewohnheit, Leute kaltzumachen, bevor ich irgendwelche Informationen aus ihnen herausbekommen kann. Kannst du dich an Devon erinnern, den Typ, den du an dem Abend abgemurkst hast, als wir uns kennengelernt haben? Hinter dem war ich sechs Monate lang her. Er war Hennesseys Buchhalter, hat alles über ihn gewusst, aber du hast ihm das Herz mit Silber durchbohrt, bevor er etwas verraten konnte. Ich habe gedacht, Hennessey wüsste, dass ich ihn mir kaufen wollte, und hätte dich geschickt, um ihn auszuschalten. Am nächsten Abend warst du dann hinter mir her. Warum, glaubst du, habe ich dich immer wieder gefragt, für wen du arbeitest? Und heute Abend... «
»Ich wollte sie nicht umbringen!«, rief ich und verfluchte mich von Neuem, diesmal aus anderem Grund. Welche Informationen hatte Stephanie mit in den Tod genommen? Wir würden es nie erfahren.
Bones stand auf und sprach weiter, während er hinter einer Felswand verschwand.
»Das weiß ich doch, Süße. Du würdest keinen Menschen umbringen, höchstens aus Versehen... oder ihm steht >Vampir-Lakai< auf der Stirn geschrieben. Du hast nicht gewusst, dass Stephanie solche Verbindungen hatte. Und am Tatort sah alles danach aus, als hättet ihr um die Waffe gerungen, als sie losgegangen ist. Muss sie wohl ganz schön festgehalten haben. Ihrem Geruch nach hatte sie einen guten Schuss Vampirblut intus. Das verleiht Kraft, und bei ihrem Job hatte sie die auch bitter nötig.«
Deshalb also hatte sie, zierlich, wie sie war, die Stärke eines Stiers besessen. Ich hatte sie komplett unterschätzt.
»Warum hast du mir das alles nicht schon früher erzählt? Erst bildest du mich zur Kämpferin aus, und dann hältst du mich vom wahren Kampf fern.«
Immer noch außer Sichtweite antwortete er. »Ich wollte nicht, dass du mit hineingezogen wirst. Himmeldonnerwetter, am liebsten wäre mir gewesen, du hättest dein Leben überhaupt nicht bei der Vampirjagd riskiert, aber es war dein Wunsch, also habe ich dich trainiert und dir bessere Überlebenschancen verschafft.
Weitere Kostenlose Bücher