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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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hatte.
    »Na, wenigstens sieht er gut aus, und es heißt, er versteht sein Handwerk, dann dürfte die Hochzeitsnacht keine allzu unerfreuliche Sache werden, nicht wahr?«
    Bertha hatte nur gelacht und mich dann ins Haus gescheucht, damit ich in der kalten Nachtluft nicht fror.
    Als ich jetzt auf das Bett sah, in dem de Bassompierre mit einer anderen Frau lag, bekam ich eine vage Vorstellung, was Manon eigentlich gemeint hatte und wie der Marquis zu einem Meister dieses Handwerks geworden war.
    War das etwa seine Liebe zu mir?
    Wir waren zwar noch nicht verheiratet, aber wenn er mich so liebte, wie er behauptete, wie konnte er dann hier mit einer anderen liegen?
    Die Frau bewegte sich und hob den Kopf. Ich wusste, ich sollte mich umdrehen und den Raum so schnell verlassen, wie ich konnte, aber meine Füße schienen festgefroren.
    Sie drehte sich um, blinzelte und sah mich müde an. Ihre braunen Locken waren zerzaust, als hätte jemand mit den Händen darin gewühlt. Und da erkannte ich, dass es dieselbe Kammerfrau war, die mir am Morgen das Konfekt mit dem Billett überbracht hatte. Schockiert beobachtete ich sie dabei, wie sie sich streckte und dabei keinerlei Scham darüber zu empfinden schien, dass ich sie gerade bei meinem Verlobten im Schlafgemach überrascht hatte.
    Hatte sie mich etwa deshalb heute Morgen so gemustert? Wie oft mochte de Bassompierre mit ihr wohl schon das Bett geteilt haben?
    Neben ihr tauchte plötzlich sein Gesicht auf. Als er mich entdeckte, fluchte er und setzte sich hastig auf. Noch immer stand ich wie angewurzelt da. Er griff nach einem Hemd, das auf dem Boden lag, zog es rasch über und kam dann auf mich zu. Seine Augenbrauen waren wütend zusammengezogen.
    »Was wollt Ihr hier?«, fragte er barsch.
    »Ich ...«, begann ich, aber er fasste mich am Ellbogen und zog mich ins andere Zimmer hinüber.
    »Weiß Euer Vater, dass Ihr hier seid?«
    »Nein ...«
    »Dann wollen wir es auch dabei belassen.« Er schob mich Richtung Tür. »Wir sehen uns in zwei Tagen.«
    Ich stemmte mich gegen seinen Griff und sah ihn erbost an. »Ist das alles, was Ihr zu sagen habt?«
    »Wozu?«
    Ungläubig deutete ich hinter ihn. »Wollt Ihr mir erklären, was das zu bedeuten hat?«
    »Ich wüsste nicht, was es da zu erklären gibt.« Er seufzte und fuhr sich mit den Händen durch seine blonden Locken. Als er zu mir sprach, tat er es in einem Tonfall wie bei einem kleinen Kind. »Seht, Charlotte, das, was Ihr hier gesehen habt, und wir wollen nicht vergessen, dass Ihr unangemeldet hier erschienen seid, hat nicht das Geringste mit Euch zu tun. Ihr müsst Euch nicht den Kopf darüber zerbrechen. Vergesst es ganz einfach.«
    »Vergessen?«
    »Vergessen. Wenn Ihr jemandem davon erzählt, werden sich die Leute eher fragen, was Ihr allein in meinem Appartement zu suchen hattet, und das wäre Eurem guten Ruf alles andere als förderlich.«
    Ich sah ihm ins Gesicht und erkannte in seinen Augen, dass er von dem, was er da sagte, vollkommen überzeugt war. Nicht die geringste Spur schlechten Gewissens war darin zu erkennen. Es kam mir vor, als blickte ich in das Gesicht eines Fremden und nicht eines Mannes, mit dem ich bald verbunden sein würde.
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass es de Bassompierre mehr darum ging, was die Leute sagten, als darum, was ich dachte. Mich beschlich die Ahnung, dass es ihn überhaupt nicht interessierte. Dass er sich für mich nicht interessierte. Auf schmerzhafte Weise erhielt ich nun die Antwort auf meine Frage, die mich ursprünglich hierhergeführt hatte.
    Er verschränkte die Arme und sah fast beleidigt drein. »Ich muss schon sagen, dass ich dieses Verhalten von Euch nicht erwartet hätte, Euer Vater versicherte mir, Ihr hättet eine gute Erziehung genossen, Charlotte. Ich fürchte, ich muss darauf bestehen, dass Ihr Euch dieser Erziehung erinnert. Es ist einfach unpassend, wenn Ihr mich unangemeldet und noch dazu allein aufsucht. Ihr könnt von Glück sprechen, dass meine Diener anderweitig Aufgaben zu erledigen haben und es für Euer Betragen keine Zeugen gibt.«
    Aufgrund seiner tadelnden Worte lief ich rot an, obwohl ich vor Zorn bebte. Gab er etwa mir die Schuld an diesem Vorfall? War die Tatsache, dass ich allein hier war, allen Ernstes schlimmer als der Verrat, den er begangen hatte?
    Mit einem Mal konnte ich nicht länger stehen bleiben, konnte nicht im selben Raum mit ihm bleiben. Stolpernd ging ich rückwärts, an der Tür angelangt drehte ich mich um und stürzte auf den Flur.

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