Blutrote Lilien
aus Flandern und schwere Orientteppiche. In der Luft hing der Duft von Papier und Kerzen und an den Wänden standen Regale mit unzähligen Büchern. Darunter auch Werke auf Italienisch und Deutsch, soweit ich das erkannte. Der Marquis war ein vielbelesener Mann, wie es schien.
In der Ecke stand ein großer Schreibtisch, der fast die gesamte Wand einnahm und mit Büchern und Papieren übersät war. Sogar ein Mikroskop fand sich auf dem Tisch, dessen goldener Fuß in der Sonne glänzte.
Ich wollte gerade näher treten, um mir das Mikroskop genauer anzusehen, als mein Blick auf die Stiefel unter dem Schreibtisch fiel. Erstaunt sah ich auf. De Bassompierre würde sicher nicht ohne Schuhe das Appartement verlassen. Vielleicht hatte er sich nach dem Mittagessen ein wenig hingelegt. Verwundert hätte mich das nicht, nach dem schweren Essen.
Eigentlich hätte ich in diesem Moment gehen sollen, den Marquis bei seiner Mittagsruhe zu stören, gehörte sich nun wirklich nicht. Aber da hörte ich auf einmal Geräusche aus dem Nebenraum, in dem sich vermutlich sein Schlafzimmer befand. Ich konnte die Geräusche nicht zuordnen und rief noch einmal seinen Namen, doch auch dieses Mal antwortete niemand. Wie seltsam, dass nirgendwo ein Diener zu sehen war.
Plötzlich kam mir der Gedanke, dass der Marquis womöglich in Schwierigkeiten steckte. War sein Diener deshalb nicht hier, weil er Hilfe holen wollte? Es wäre nicht das erste Mal, dass jemandem das Essen im Louvre nicht bekam. Henri war in seinen Briefen sehr deutlich geworden. Die fettigen Speisen waren nicht für jeden geeignet und Magenkrämpfe waren keine Seltenheit. Selbst der König verlangte hin und wieder ein Mittel gegen das Aufstoßen, hieß es.
Die Sorge trieb mich vorwärts. Ich deutete mit dem Finger auf einen Platz an der Tür und sagte zu Orson: »Sitz!« Dann ging ich langsam auf die zweite Tür zu.
Auch hier ließ sich die Klinke leicht nach unten drücken. Als sie einen Spalt weit offen stand, lugte ich hinein, konnte aber von meinem Platz von der Tür aus nichts erkennen, deshalb schob ich die Tür weiter auf.
Zuerst sah ich nur das Bett und unzählige Decken. Unter diesem Berg Stoff bewegte sich etwas und ein blasser Männerarm kam zum Vorschein. Ein ungutes Gefühl zog mir den Magen zusammen. Vorsichtig trat ich noch einen Schritt näher und erkannte de Bassompierres blonden Haarschopf. Er schien zu schlafen.
Sollte ich wieder gehen? Immerhin würde Vater mir den Kopf abreißen, wenn er je erfahren sollte, was ich hier tat. Dabei wollte ich mich doch nur versichern, dass es dem Marquis gut ging. Wenn er wirklich schlief, dann würde ich auf leisen Sohlen wieder verschwinden und ihm später die Frage stellen, die mir durch den Kopf geisterte.
Außerdem, was war schon großartig dabei, wenn ich ihn besuchte, schließlich waren wir verlobt, und der Marquis würde bald mein Mann sein? Ich wollte ja nur einen kleinen Blick auf ihn erhaschen. Ihn einmal ganz in Ruhe betrachten, ohne dass mich seine Worte ablenkten, mit denen er so reich Komplimente verteilte.
Ich beugte mich vor – und da bewegte sich das Deckenbündel erneut und ein zweiter Arm kam zum Vorschein. Der einer Frau.
Mein Herz überschlug sich und ganz plötzlich schien der Winter unter meine Haut zu kriechen. Wie erstarrt sah ich auf das Bett.
Verzweifelt suchte ich nach Erklärungen, warum eine fremde Frau Zuflucht in de Bassompierres Bett gesucht haben mochte, aber es fiel mir keine überzeugende Erklärung ein. Ich sah auf die verstreute Kleidung neben dem Lager. Unterröcke und ein Mieder waren achtlos in eine Ecke geworfen worden, als wäre jemand in großer Eile gewesen. Und ein Damenschuh lugte unter dem Bett hervor.
Ich erinnerte mich jener Gespräche mit Manon, in denen sie mir von den Treffen mit ihrem Liebsten erzählt hatte, wie sie sich das erste Mal geküsst und auch geliebt hatten. Damals hatte Manon gelacht und behauptet, ich würde schon noch verstehen, warum es die Leute manchmal so eilig hatten, in die Betten zu kommen, wenn ich erst mal verheiratet wäre. Sie war es auch gewesen, die mit mir über die Hochzeitsnacht geredet und mir die Angst davor genommen hatte.
Ich hörte noch ihre Worte, die sie gesprochen hatte, nachdem der Marquis aus Chantilly abgereist war. Auf der breiten Treppe hatte sie gestanden, die Arme in die Hüften gestützt und den Blick finster auf die davonrollende Kutsche gerichtet, während ich mit der alten Bertha neben ihr gestanden
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