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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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zorniges Gesicht zeigte. Es hatte tatsächlich große Ähnlichkeit mit dem Bildnis der Diana, das ich noch wenige Stunden zuvor auf der Treppe gesehen hatte. Es war derselbe entschlossene Blick. Diana hätte eine solche Schmach sicher auch nicht einfach hingenommen und ich würde es ebenso wenig. Der Marquis sollte schon noch lernen, was es hieß, es sich mit einer Montmorency zu verderben!

- 6 -
     
    Die Zeit floss zäh wie Sirup dahin. Doch nur die Zeit, in der ich mich bewegte. Um mich herum herrschte wie immer reges Treiben.
    Manon faltete die Wäsche mit flinken Fingern und auf dem Hof wurden Karren beladen. Das Klacken der Hufeisen ergab eine seltsame Melodie, in die sich das Aufschlagen von Absätzen auf Marmorböden mischte, wenn vor der Tür unseres Appartements die Diener vorbeirannten.
    Alles um mich herum schien sich zu bewegen, nur ich saß starr auf einem Stuhl am Fenster, als wäre ich durch meine düsteren Gedanken in eine andere Welt gefallen, in der die Sirupzeit meine Glieder beschwerte.
    Hin und wieder warf mir Manon einen fragenden Blick zu, während sie mit Vaters Kammerdiener sprach. Unwillig deutete sie auf die gefaltete Wäsche und einen Stoffhaufen, der danebenlag. Es waren zwei von Vaters Hemden. Mit der Hand fuhr sie in eines hinein und ihr Zeigefinger brach durch den Stoff. Die Motten hatten Löcher in Vaters Hemden gefressen.
    Verlegen kratzte sich der Mann am Hinterkopf, wofür er von Manon einen Klaps auf den Arm erhielt. Ihre wütenden Anweisungen, die immer lauter wurden, durchdrangen die Glocke, unter der ich mich zu befinden schien. Langsam fiel die Sirupzeit von mir ab.
    »Steh gefälligst nicht so rum, Bursche!«, rief sie und drückte ihm energisch die Hemden in die Hand. »Glaubst du vielleicht, das Problem löst sich von allein? Soll ich diesen gefräßigen Tieren das ganze gute Leinen überlassen? Sieh zu, dass du die stopfen lässt und dass die Motten aus den Schränken verschwinden. Der Connétable kann doch nicht mit Löchern in den Hemden herumlaufen!«
    Auf einmal kam mir der Marquis wie eines dieser Hemden vor: auf den ersten Blick wertvoll, aber bei genauem Hinschauen löchrig. Nachdenklich starrte ich aus dem Fenster.
    »Ihr solltet das Grübeln lassen«, sprach Manon zu mir, nachdem der Kammerdiener die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Warum geht Ihr nicht spazieren? Die frische Luft wird Euch guttun.« Aus einer Holzschale nahm sie kleine gebundene Sträuße Lavendel, die sie zwischen die Hemden legte, um die Motten fernzuhalten, und der Raum füllte sich mit einem schwachen Duft.
    Ich schloss die Augen und sah die wogenden Felder vor mir, ein lavendelfarbenes Meer, das sich bis zum Horizont erstreckte. Wie gern wäre ich jetzt dort hindurchgelaufen. Mit ausgestreckten Armen, und meine Fingerspitzen würden die Blüten berühren, während die Sonne mein Gesicht wärmte. So stark dachte ich daran, dass ich fast fühlen konnte, wie sich meine Wangen wärmten.
    Der Duft des Lavendels hüllte mich ein, doch als ich nach einer Weile die Augen wieder aufschlug, war es noch immer Winter und ich in Paris unter einem grauen Himmel.
    Manon legte die Wäsche in Schränke und Truhen. Danach befahl sie einem Pagen, mir aus der Küche Waffeln mit Konfitüre zu holen. Eigentlich hatte ich gar keinen Appetit, aber Manon behauptete, das würde meine Stimmung heben.
    Als der Diener den Teller brachte, warf er mir einen verhaltenen Blick zu, und es dauerte keine Stunde, bis auch die anderen Diener begannen, mich zu mustern. In dem Moment, in dem ich den Grund dafür begriff, krampften sich meine Eingeweide zusammen und die kleine Mokkatasse, die ich in der Hand hielt, fiel scheppernd auf den Boden und zersprang.
    Die Geschehnisse mit dem Marquis mussten sich bereits bis in die Gesindeküche herumgesprochen haben. Vielleicht hatte mich ein Diener bei meiner überstürzten Flucht aus de Bassompierres Gemächern gesehen. Oder der Page, den ich nach dem Weg gefragt hatte, hatte nicht den Mund gehalten. Auf jeden Fall war die Dienerschaft bestens unterrichtet und es würde nicht lange dauern, bis es auch ihre Herrschaft erfuhr.
    Manche Blicke enthielten Häme, andere Mitleid, aber ich ertrug beides nicht. Am liebsten hätte ich meine Räume gar nicht mehr verlassen, aber mein Stolz hielt mich davon ab. Ich würde mich nicht verkriechen.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Vater davon erfuhr. Wer es ihm erzählte, fand ich nicht heraus, aber er rauschte wie ein plötzliches

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