Blutrote Lilien
Abend habe ich Vater mit jemandem reden gehört ... Es gibt Gerüchte ...«
»Es scheint hier immer irgendwelche Gerüchte zu geben.« Verärgert sah ich aufs Wasser.
»Diese sind neu. Sie betreffen deinen Bruder.«
Ich verdrehte die Augen. Was hatte Henri nun wieder angestellt?
Sophie legte mir die Hand auf den Arm und sah mich eindringlich an. »Du solltest das nicht zu leicht nehmen, Charlotte. Gerüchte haben schon so manchen am Hof zu Fall gebracht. Heute Morgen hat mich Vater gefragt, ob dein Bruder oft anwesend sei, wenn wir uns sehen. Ich habe das verneint und darüber schien er nicht unglücklich.«
Das fand ich übertrieben. Sicher, zurzeit konnte ich mir amüsantere Nachmittage vorstellen, als sie in Henris Gesellschaft zu verbringen, aber mein Bruder war auch kein Verbrecher, den es zu meiden galt.
»Was stört deinen Vater?«
Sophie zögerte, dann sagte sie leise: »Er soll die spanische Liga unterstützen.«
»So ein Unsinn!«, entfuhr es mir. »Die spanische Liga existiert doch gar nicht mehr.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie wird vielleicht nicht mehr so genannt, aber die Verbindungen gibt es nach wie vor, genauso wie die Interessengruppen. Spanien versucht noch immer, Einfluss auf Frankreich zu nehmen, und König Philipp hat überall seine Spione. Der König weiß das. Deshalb geht er auch so scharf gegen jeden vor, der mit der Liga in Verbindung gebracht wird. Er will nicht zulassen, dass spanische Interessen am Hof Einfluss gewinnen. Selbst die Königin ...« Erschrocken hielt sich Sophie die Hand vor den Mund, dann schaute sie sich hektisch um. Aber außer uns beiden war niemand zu sehen. Als sie weitersprach, hatte sie die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. »Henri verbringt viel Zeit mit d’Épernon und der Königin, selbst mit Concini soll er sich verstehen. Das wirft kein gutes Licht auf ihn.«
Nachdenklich sah ich sie an. Es musste mehr hinter dieser Sache stecken, denn wenn es ausreichte, dass der bloße Umgang mit der Königin verdächtig wirkte, dann hätte man de Bassompierre schon vor langer Zeit unter Anklage gestellt.
»Was verschweigst du mir, Sophie?«, fragte ich.
Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Du musst es mir sagen. Wie soll ich ihm sonst helfen?«
Es dauerte noch einen Moment, bis sich Sophie einen Ruck gab. Sie seufzte. »Die Zofe der Herzogin von Guise sollte gestern der Königin eine Einladung zu einem Fest überbringen. Als sie sich den Gemächern der Königin näherte, beobachtete sie zwei Männer, die sich unterhielten.«
»Was ist daran verdächtig?«
»Es waren dein Bruder und Auguste Bonfour.«
Das sah in der Tat nicht gut aus. Bonfour hatte einen schlechten Ruf. Gegen die Königin, die ja ebenfalls Umgang mit ihm pflegte, traute sich niemand etwas zu sagen, aber Leonora Concini und ihre Männer, zu denen Bonfour ja gehörte, standen nicht über der Kritik. Wenn sich Henri wirklich mit diesem Mann getroffen hatte, dann warf das auf die gesamte Familie de Montmorency ein schlechtes Licht. Vater würde toben, wenn er davon erfuhr. Beunruhigt sah ich aufs Wasser.
Ein Gefühl beschlich mich, als würde sich eine Fessel um meinen Brustkorb legen, die sich beständig zuzog. Der Louvre erschien mir auf einmal wie eine Falle.
- 14 -
Ich hatte gehofft, die Ballettproben würden nun der Vergangenheit angehören, doch bereits am Nachmittag ließ ein Diener ausrichten, die Königin erwarte alle Damen ihres Balletts zu weiteren Proben, da sie plane, das nächste Fest nach italienischem Vorbild auszurichten.
Vater runzelte darüber zwar erneut die Stirn, aber seit der König sein Gefallen über meine Darbietung ausgedrückt hatte, stand er der ganzen Sache weniger skeptisch gegenüber. Sehr zu meinem Missfallen.
An diesem Tag schien die Königin allerdings schlechte Laune zu haben. Vielleicht brummte ihr auch der Kopf von zu viel Wein. Alle naselang unterbrach sie die Proben und bemängelte etwas. Dieses Mädchen sei zu langsam, jenes zu schnell, und überhaupt verstünden wir so viel vom Tanz wie eine Gans vom Häuserbauen!
Wir sollten Nymphen in einem See darstellen und mit Schrecken dachte ich an die Kostüme, die die Königin dafür aussuchen würde – und Vaters Reaktion darauf. Nun, solange die Königin nicht erwartete, dass wir jede einen Fisch in der Hand hielten ...
Mir warf die Königin an diesem Tag besonders oft Fehler vor, einmal schrie sie mich sogar an: »Ihr solltet nicht so viel Wein trinken, wenn Ihr ihn nicht vertragt,
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