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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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einmal überkam mich der Impuls, ihm hinterherzurennen, ihn festzuhalten und anzuflehen. Ihm zu sagen, dass alles nur ein großes Missverständnis gewesen war und wir uns wieder vertragen sollten. Doch ich rührte mich nicht von der Stelle. In Gedanken hörte ich Vater sagen, dass mit großer Macht auch große Verantwortung kam und dass man sich vor den Entscheidungen, die man fällte, nicht drücken konnte. Ich hatte mich nun entschieden, also musste ich auch mit den Konsequenzen leben. Feigheit sollte mir niemand vorwerfen.
    Unruhig drehte ich mich zurück zu den Höflingen und begegnete Condés Blick. Der Prinz stand abseits der anderen am Fenster, steif wie eine Holzfigur mit finsterer Miene, und ich fragte mich zum ersten Mal, ob sein Misstrauen den Menschen gegenüber vielleicht damit zusammenhing, dass er sich ständig die Frage stellen musste, auf welcher Seite sein Gesprächspartner stand.
     
    Vater war fuchsteufelswild, als er von meiner öffentlichen Auseinandersetzung mit Henri hörte. Während mir Manon die Haare frisierte, stand er wie Zeus, der Göttervater, donnernd hinter uns.
    »Die de Rohans sind kein Umgang für dich«, stellte er bestimmt fest.
    »Was?«
    »Der Umgang mit solchen Leuten ist im besten Falle delikat.« Er schnalzte mit der Zunge und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »So oder so muss man die Angelegenheit als heikel betrachten und die Fallstricke erkennen, die der Umgang mit ihnen bereithält. Ein Kunststück, das deine Fähigkeiten bei Weitem übersteigt.« Er nickte bekräftigend, als wolle er sich selbst zustimmen. »Dir fehlt einfach die Erfahrung, um einschätzen zu können, wann sich eine dieser Fallen auftut. Du könntest hineintappen, ohne es zu merken.«
    »Ich bin mir sicher, dass Sophie gar nicht vorhat, mir irgendwelche Fallen zu stellen.«
    Vater hob die Hand. »Das kannst du nicht wissen. Ihre Familie ist einflussreich, solche Leute streben immer nach noch mehr Macht, sie nutzen jede Gelegenheit dazu, ihren Einflussbereich zu vergrößern.«
    »Du kennst Sophie doch gar nicht.«
    »Das brauche ich auch nicht. Ich kenne ihre Art.«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, seine Haltung verriet, dass er über dieses Thema nicht weiterreden wollte. Es wäre zwecklos gewesen, zu versuchen, ihn umzustimmen. Dabei kam mir das Ganze so ungerecht vor. Sophie und ich waren Freundinnen, ich war mir sicher, dass sie nicht daran dachte, irgendeinen Hinterhalt für mich vorzubereiten, dazu war sie zu sanft.
    Doch Vater war mit seinem Vortrag noch nicht zu Ende. »Und mit deinen Äußerungen vor der Hofgesellschaft musst du auch vorsichtiger sein, Charlotte. Unkluge Sätze können uns hier mehr schaden als nützen.«
    »Aber ich kann doch nicht zusehen, wie sie Sophie in aller Öffentlichkeit beschuldigen!«
    »Wenn ich gewollt hätte, dass du dich in die Politik einmischst, dann hätte ich dich in Hosen gesteckt und wie einen Mann erzogen!«, brüllte Vater so laut, dass Manon vor Schreck die Bürste fallen ließ. »Da ich das nicht habe, ist wohl davon auszugehen, dass ich von dir erwarte, dich wie eine Dame zu benehmen und deine Ansichten in der Öffentlichkeit für dich zu behalten!«
    Ich hätte ihm sagen können, dass die Königin sehr wohl ihre Meinung in der Öffentlichkeit kundtat, ebenso wie ein weiter Kreis der Hofdamen, wenn es darum ging, die Schwächen anderer aufzudecken, aber wahrscheinlich meinte er das nicht.
    Manon musste mir angesehen haben, was ich dachte, denn der Griff in meine Haare wurde fester.
    »Au«, sagte ich und sah zu ihr empor, aber sie lockerte den Griff nicht, sondern warf mir nur einen Blick zu, der wohl sagen sollte: Jetzt bleib am besten still.
    Mürrisch sah ich in den Spiegel und beobachtete Vater dabei, wie er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen durchs Zimmer lief.
    »Mit deinen Eskapaden muss nun endgültig Schluss sein, Charlotte. Dir ist wahrscheinlich nicht bewusst, wie gefährlich es ist, am Hof mit den falschen Leuten gesehen zu werden. Außerdem müssen wir aufpassen, was der König denkt. Noch besitzt de Rohan, der Herzog Montbazon, die Gunst des Königs, aber der Mann ist ehrgeizig, und in den kommenden Auseinandersetzungen wird es schwer genug sein, unsere Stellung am Hof zu behaupten, auch ohne dass uns eine besondere Nähe zu den Hugenotten nachgesagt wird.« Nach diesen Worten stürmte er wütend hinaus.
    Nachdenklich sah ich auf mein Spiegelbild. Sophie war die Einzige, die von Anfang an mit mir geredet

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