Blutrote Lilien
kennengelernt habe, ist mir bewusst geworden, dass Eure Temperamente zu unterschiedlich sind. Daher habe ich beschlossen, Eure Verlobung mit dem Marquis zu lösen.«
Das machte mich sprachlos.
Ob Vater doch Einspruch beim König erhoben hatte? Aber den Gedanken verwarf ich wieder. Es dauerte noch einen Moment, bis ich begriff, dass ich nun nicht mehr an den Marquis gebunden war. Ein Stein fiel mir vom Herzen, und ich stotterte: »Danke, Majestät ...«
Er hob die Hand. »Ihr müsst mir nicht danken. Mir liegt das Wohl meiner Untertanen am Herzen, besonders das Eure.«
Ich war so erleichtert, dass ich gar nicht merkte, wie ein Page die Tür öffnete und jemand eintrat.
»Ihr habt nach mir rufen lassen?«
Es war Condé. Überrascht sah ich auf und direkt in seine Augen, die mich bannten. Bei seinem Anblick verspürte ich wieder dieses flatternde Gefühl im Magen, das mich jedes Mal überkam, wenn wir uns begegneten. Diese seltsame Verbindung, als stünden wir uns noch immer am Fenster gegenüber und es gäbe nur uns zwei und die hereinbrechende Nacht.
»Ja, Neffe, kommt näher, ich habe Euch freudige Mitteilung zu machen.«
Condés Blick huschte nervös zwischen dem König und mir hin und her und ich zuckte leicht mit den Schultern, um ihm zu zeigen, dass ich nicht wusste, was sein Onkel ihm berichten wollte. Das schien ihn noch mehr zu beunruhigen. Bei meinen Zusammentreffen mit dem König war er nie anwesend gewesen und auch sonst verbrachte er wenig Zeit mit seinem Onkel, das war kein Geheimnis. Es mochte ihn also einigermaßen verwundern, wenn der König ihn zu sich rufen ließ.
Der König nahm meine rechte Hand in seine und griff dann nach Condés linker, um sie über meine zu legen und sie mit seinen Fingern zu umschließen. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, als ich Condés Haut auf meiner spürte. Seine Hand war warm und der Griff seiner Finger fest. Er sah mich an.
»Charlotte, Euer Vater ist ein einflussreicher Mann und jede Verbindung Eures Hauses mit einem anderen will gut überlegt sein.«
Trotz der Kälte begann ich, bei diesen Worten zu schwitzen.
Der König wandte sich an den Prinzen. »Ich weiß, dass Ihr Euer Junggesellenleben schätzt, Condé, aber ich sage Euch schon seit Längerem, dass es Zeit für Euch wird, Euch zu binden. Und da Ihr selbst keine Anstalten macht, Euch eine Braut zu wählen, hoffe ich, dass Ihr Euch auf mein Urteil verlasst und mit meiner Wahl so zufrieden werdet, wie ich es zweifellos für Euch im Sinn habe.«
Der König lächelte und blickte Condé in die Augen. Zwischen ihnen ging eine stumme Kommunikation vor, an der ich keinen Anteil hatte. Doch plötzlich riss sich der Prinz von uns los und rief: »Ihr beliebt zu scherzen!«
»Keineswegs.«
Schockiert sah Condé den König an, dann suchte sein Blick meinen, und darin lag etwas wie eine Anklage, die sich gegen mich richtete. Ich wich einen Schritt zurück. Sollte die Äußerung des Königs das bedeuten, was ich dachte?
Wollte er mich mit Condé vermählen?
Das war es also, worüber er schon die ganze Zeit gegrübelt hatte.
»Auf keinen Fall!«, sagte der Prinz bestimmt und verschränkte die Arme. »Das ist nur eine weitere Schikane, die Ihr Euch einfallen lasst, um mich zu beleidigen!«
Der König setzte sich auf seinen Stuhl am Kamin und trank ruhig von seinem Wein. »Ihr vergreift Euch im Ton. Die Welt dreht sich nicht immer um Euch, Neffe. Andere Männer würden es als ein Zeichen meiner Zuneigung sehen, wenn ich sie mit einem Mädchen aus so angesehener Familie verheiraten wollte, das noch dazu sehr hübsch anzuschauen ist, meint Ihr nicht?«
»Andere Männer kennen Euch möglicherweise schlechter.«
Der Prinz sah aus, als wolle er am liebsten etwas zerschlagen, womöglich sogar den Kopf des Königs, so aufgebracht war er. »Ihr erwartet, dass ich eine Frau heirate, die denselben Namen trägt wie meine Mutter! Die Höhe der Geschmacklosigkeit«, rief er zornig, und ich wäre am liebsten im Boden versunken, als ich den Widerwillen in seiner Stimme hörte. Was nützte es, dass er so gut aussah, wenn er sich aufführte wie ein Spanier? War es wirklich so schrecklich, mit mir verheiratet zu werden?
»Das ist keine Bitte, Prinz!«, donnerte der König plötzlich. »Und nun verschwindet. Kommt erst wieder, wenn Ihr bereit seid, mir zu danken, undankbarer Bengel. Ihr auch, Charlotte, geht, und berichtet Eurem Vater, welche Ehre Eurer Familie zuteil wird.« Er wies auf die Tür. Wütend verließ der
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