Blutrote Lilien
hatte, der es gleich war, ob der König mich mochte oder nicht. Ganz gleich, was Vater oder Henri auch dachten, ich konnte mich nicht damit abfinden, dass meine Freundschaft zu ihr mir schaden könnte.
Das Mädchen im Spiegel nickte mir zu, und obwohl ich wusste, dass ich es selbst war, so schien mir das Antlitz, das mir entgegenblickte, doch das einer Fremden. Ein misstrauischer Ausdruck lag in dem Gesicht, der mich an jemand anders erinnerte. Es verging einige Zeit, bis mir einfiel an wen. Es war derselbe Ausdruck, den auch Condés Züge die meiste Zeit trugen.
Bei dem Gedanken krampfte sich mein Magen zusammen, denn nun wusste ich auch, wie sich ein solcher Ausdruck auf das Gesicht eines Menschen schleichen konnte. Ihm voran gingen Enttäuschung und Verrat, die vor allem eine Stelle angriffen: das Herz.
- 18 -
Meine nächste Begegnung mit dem König war eine zufällige. Auf dem Weg zur Falknerei sah ich ihn, wie er mit dem Herzog von Sully aus den Tuilerien kam. Es war noch früh am Morgen, aber der Luft fehlte die beißende Kälte der vorangegangenen Wochen. Das Wetter wurde milder und verwandelte Schnee und Eis in schmutzige graue Pfützen, und der aufspritzende Schlamm verlieh allen Stiefeln dieselbe Farbe.
Die Männer waren tief in ein Gespräch versunken und zogen beide sorgenvoll die Stirn kraus. Der König hatte seinen dicken Mantel eng um sich geschlungen, auf dem das königliche Lilienmuster aufgestickt war und der ihn für jedermann weithin als Majestät erkennbar machte.
Hinter ihnen liefen zwei Männer der Garde, die dem König überallhin folgten. Ihre Hände lagen auf den Griffen ihrer Degen und ihre finsteren Blicke hielten die Leute davon ab, sich dem König ungebeten zu nähern.
Als er fast an mir vorübergegangen war, sah er auf und erkannte mich. Er blieb stehen, legte Sully die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm etwas zu. Dann kam er langsam auf mich zu. Der Herzog von Sully schien nicht glücklich über die Unterbrechung seines Gesprächs mit dem König. Zuerst schüttelte er den Kopf, doch dann wandte er sich ab und lief weiter zum Louvre.
Ich erwies dem König meine Referenz, aber er winkte ungeduldig. »Erhebt Euch, Mademoiselle, das ist nicht die beste Jahreszeit, um Kleidersäume auf dem Boden schleifen zu lassen, meint Ihr nicht?« Er bot mir seinen Arm, obwohl er auf dem matschigen Boden ebensolche Schwierigkeiten hatte zu laufen wie ich.
Gemeinsam liefen wir Richtung Falknerei. An diesem Tag war der König schweigsam und ich fragte mich, warum er das Gespräch mit Sully unterbrochen hatte, wenn er nun nicht mit mir reden wollte. Ein paarmal wandte er sich mir zu und es schien, als wolle er etwas sagen, aber dann schloss er den Mund wieder und schwieg. Etwas beschäftigte ihn.
In der Falknerei sprach der König mit Monsieur de Luyenes, während ich nach Mars sah, der gerade eine Maus verschlang. Die Falken waren unruhig, die letzte Jagd lag schon einige Tage zurück und die Enge der Falknerei machte sie aggressiv. Immer wieder erhob sich einer der Vögel und versuchte, in die Höhe zu steigen, doch die Leine um ihre Füße hielt sie davon ab.
Nachdem der König sein Gespräch beendet hatte, forderte er mich auf, ihn zurück zum Louvre zu begleiten. Eigentlich erwartete ich, dass er sich, sobald wir das Schloss betraten, von mir verabschieden würde, schließlich schien er heute keinen Anfang für ein Gespräch zu finden. Doch er lief einfach weiter und erwartete, dass ich ihm folgte.
Erst, als wir in den königlichen Gemächern waren, die Herzogin von Guise wie immer als stumme Aufpasserin in einer entfernten Ecke, sprach er mich an. Zerstreut fragte er, ob ich etwas essen wolle und ob mir warm sei.
»Ich bin zufrieden, danke, Eure Majestät.«
»Seid Ihr das wirklich? Zufrieden, meine ich.«
Irritiert nickte ich.
Nachdenklich sah er mich an. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr mit Eurer Verlobung nicht glücklich seid.«
Ich erstarrte. Was sollte ich darauf antworten? Woher wusste er davon? Vielleicht hatte einer der Diener einen Streit mit Vater weitergetragen. Vielleicht war die ganze Sache mit de Bassompierre auch ein offenes Geheimnis für alle im Louvre.
»Ihr müsst darauf nicht antworten, Charlotte. Ich kann mir vorstellen, dass de Bassompierre einigen Leidenschaften nachgeht, die für eine junge Dame wie Euch unangemessen scheinen. Ich will Euch nicht verschweigen, dass ich gehofft hatte, Ihr würdet besser zusammenpassen. Aber nachdem ich Euch
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