Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jackson Pearce
Vom Netzwerk:
Ich mag diese frühen Morgenstunden hier im Haus. Als versteckte ich mich hinter einem geheimen Bild in der Mitte des hügeligen südlichen Farmlands.
    Ich schleiche mich dichter an Rosies Tür heran und steige dabei über Klette. Er fühlt sich gestört, krallt sich an meinem Bein fest, nur graues Fell und Zähne. Als ich ihn abschüttele, huscht er empört davon. Ich warte, die Hand um den Türknauf gelegt.
    Eins, zwei,
drei.
    Dann reiße ich die Tür auf, lasse sie auf der anderen Seite gegen die Wand donnern, sprinte vorwärts, springe im letztmöglichen Augenblick ab und stürze mich auf Rosie in ihrem kleinen Doppelbett. Sie schreit und fährt auf, das Haar zerzaust, die Augen nur halb geöffnet, eine pinkfarbene Steppdecke an die Brust gepresst.
    »Was zur Hölle treibst du hier?«, fragt sie benommen, fällt neben mir zurück auf das Bett und zieht sich die Decke über den Kopf.
    »Ich will mich nur für … ähm … die Sache entschuldigen, die gestern Nacht passiert ist.«
    »Indem du auf mich draufspringst? Deine Entschuldigung stinkt.«
    »Nein, nicht das hier – das bin nur ich, deine nervige ältere Schwester. Die Entschuldigung sieht so aus, dass … wir uns heute Abend einen Film ausleihen könnten. Und du darfst ihn aussuchen.«
    Rosie setzt sich auf, beäugt mich misstrauisch. »
Egal welchen
Film?«
    Ich presse die Lippen zusammen und versuche, mein Missfallen über den Filmgeschmack meiner Schwester zu verbergen. Sie mag
Liebesfilme.
Ich hingegen kann mir nicht helfen: In meinen Augen sind diese Streifen reine Zeitverschwendung.
    Rosie verschränkt die Arme. Ich nicke widerstrebend.
    »
Und
du lässt mir die Solo-Jagd das nächste Mal?«, fügt sie hinzu.
    »Ich verspreche es … Ich verspreche dir, es zu versuchen.«
    Rosie verdreht die Augen, aber wir wissen beide, dass es damit so gut wie abgemacht ist. »Okay. Dann musst du mir auch versprechen, dass du dich nicht wieder vor dem Film drückst.«
    »Ich verspreche es.«
    Damit lässt sie sich auf die Matratze zurücksinken und grinst zufrieden. »Und jetzt versprich mir, dass du aus meinem Zimmer verschwindest und mich wie einen normalen Menschen schlafen lässt.«
    Lachend ziehe ich mich zurück, während Klette auf das Bett springt und es sich zwischen Rosies Beinen bequem macht. Ich ziehe die Tür hinter mir zu und kichere, als sie krachend ins Schloss fällt und ich Rosies verärgertes Aufstöhnen höre. Wofür sind schließlich ältere Schwestern da? Die auf dem Kopf stehenden Bücher sind wieder gerichtet, zumindest das. Jetzt kann ich mit meinem Morgenprogramm weitermachen.
    Schnell schlüpfe ich in meinem Zimmer in ein Paar Jeans, mache mir einen Pferdeschwanz und husche dann unten durch das Fliegengitter und aus der Eingangstür. An unseren Hinterhof grenzen eine Viehweide und hohes Gras, den Garten versuchen Rosie und ich so gut es geht zu pflegen. Mein prüfender Blick wandert über den Boden. Bald ist es Zeit, Zuckerschoten zu pflanzen – wenn es nach meiner Großmutter geht, bei Mondlicht. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine Rolle spielt, mache es aber genau so. Es war immer schwer, zu unterscheiden, wann Oma March Weisheiten mit uns teilte und wann sie uns einfach nur einen Bären aufband. Mehr als einmal ersetzte sie unser abendliches Märchen durch Weisheiten aus ihren Philosophiebüchern oder durch einen Reim, der uns helfen sollte, Französisch zu lernen. Wir nahmen alles in uns auf und bemerkten nie, dass sie uns etwas beibrachte.
    Das Französische ist, bis auf ein paar Phrasen, nie hängen geblieben, aber es gab Teile der Philosophie, die ich bis heute nicht vergessen habe. René Descartes, David Hume, Plato … Ich schaue blinzelnd in die Sonne. Meine liebste Geschichte hat sie mehrere Male erzählt, ehe ich verstanden habe, dass sie mehr als ein Märchen war:
    »Es war einmal vor langer Zeit«, sagte Oma March, und ihr Singsang füllte den Raum, den Rosie und ich uns teilten.
    »Es war einmal vor langer Zeit ein Mann, der lebte in einer Höhle …«
    »Wie hieß er?«, unterbrach ich sie.
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Er muss doch einen Namen haben!«
    »In Ordnung, sein Name war Hans. Und er lebte in einer Höhle mit seiner Schwester Maria«, fuhr meine Großmutter fort, als Rosie und ich uns unter den Fleecedecken zusammenkuschelten. »Hans und Maria wurden in der Höhle geboren und lebten dort ihr ganzes Leben lang. Sie blieben immer weit hinten in der Höhle, in fast vollständiger Dunkelheit, denn wann

Weitere Kostenlose Bücher