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Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jackson Pearce
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und zuckt mit den Schultern, aber Silas lässt nicht locker. »Vielleicht gibt es keine exakte Methode, um zu bestimmen, wer ein Welpe wird. Vielleicht ist es einfach Schicksal oder so.«
    »Nein. Es muss einen Grund geben.« Sie rollt zurück.
    Ich nehme ihre Hand, ich kann es ihr nicht übelnehmen. Mir würde der Gedanke, dass es Schicksal war, mein Auge zu verlieren, auch nicht gefallen.
    Silas späht auf seine Uhr. »Wir sind jetzt seit fünf Stunden hier.« Der bedeutungsvolle Blick, den er mir zuwirft, besagt so viel wie: »Du solltest längst weg sein.« Wann haben Silas und ich gelernt, uns ohne Worte zu verstehen? Ich hatte gehofft, er hätte den Kurs vergessen und würde mich vom Haken lassen.
    »Ich kann nicht gehen. Ich frage mich … meint ihr, dass irgendwas an dem ganzen Silberkugel-tötet-Werwolf-Ding dran ist? Oder vielleicht … die Attacke erfolgte direkt nach seinem Geburtstag. Vielleicht hat es etwas damit zu tun?« Sie steht auf und eilt aus dem Archiv in Richtung der Toiletten.
    »Du hast einen Kurs«, flüstert Silas, sobald Scarlett aus der Tür ist.
    »Komm schon, wir haben was zu erledigen.«
    »Rosie, du hast einen Kurs.«
    Ich funkele ihn böse an. »Das hier ist wichtiger.«
    »Scarlett und ich sind durchaus in der Lage, das hier alleine zu erledigen. Geh und hab Spaß. Lern das Leben kennen. Außerhalb der Jagd.«
    »Wenn du das noch einmal sagst, stech ich dich ab.«
    Silas grinst. »Geh jetzt. Ich werde dich entschuldigen. Ich komme sogar vorbei, um dich abzuholen, falls wir irgendetwas herausfinden, das sofortiges Handeln erfordert. Du solltest nicht an das hier gekettet sein. Es sei denn, du willst es so.«
    Ich starre auf den Mikrofilm, dann auf Silas und schließlich auf Scarletts Stuhl. Ich will den Kurs besuchen. Ich will wirklich gern zum Unterricht und mir keine Gedanken um die Jagd machen, zumindest eine Stunde lang. Will sehen, wie es ist, eine normale 16-Jährige zu sein.
    »Wenn Scarlett das herauskriegt …«
    »Das wird sie nicht. Außer du sagst es ihr. Geh schon.« Er lässt seine Finger auf meiner Hand ruhen und lächelt. Ich will so gern, nur zu gern meine Hand drehen und meine Finger in seinen verschränken.
    Er hat recht. Ich sollte jetzt gehen. Ich presse die Lippen zusammen, um ein Lächeln zu verbergen, springe auf, berühre Silas kurz an der Schulter und rase aus dem Archiv. Dann schieße ich aus dem Hauptportal der Bibliothek hinaus und knirsche mit den Zähnen, bis ich mir sicher bin, dass ich Scarletts Stimme, die meinen Namen verwirrt und verärgert ruft, nicht hören werde.
    15 Minuten und einen anstrengenden Lauf später platze ich durch die Tür in das Kulturhaus und ernte eine Menge genervter Blicke von den Teilnehmerinnen eines Yogakurses für Schwangere, die gerade in dem Tanzsaal gegenüber vom Empfang fertig geworden sind.
    Ich kann nicht glauben, dass ich das mache. Ich schaue auf das Kursbrett, obwohl ich es gar nicht müsste, denn ich habe das Kursangebot lange auswendig gelernt.
Irgendwas Kleines, Rosie. Was Leichtes, Einfaches. Lass dich nicht zu sehr vereinnahmen – es ist nur ein Kurs.
    Ich zwinge mich dazu, zu atmen, und gebe der Frau am Empfang meine Kurskarte.
    »Welcher Kurs, Schätzchen?«, sagt die alte Dame. Ihre Hand zittert, als wäre meine Karte unglaublich schwer.
    »Origami für Anfänger.«
    Die Frau sieht mich ein bisschen überrascht an und zieht meine Karte dann durch die Maschine. Origami. Einfach, unschuldig – Scarlett kann nicht
allzu
wütend werden, weil ich so etwas Unspannendes wie Origami gemacht habe, oder?
    Die Schwangeren verbeugen sich ausführlich vor dem Trainer und verlassen dann den Saal, während einige freiwillige Helfer des Kulturzentrums Falttische und Stühle hineinschieben. Wir setzen uns. Eine Frau mit silbrig braunem Haar winkt mich und die sieben oder acht anderen Teilnehmer, die Origami bei ihr lernen wollen, zu sich.
    »Lauter neue Gesichter heute«, sagt sie sanft, ihre Stimme ist fest und ruhig. Sie verteilt leuchtend buntes Papier, perfekt quadratisch und fehlerlos glatt.
    Die nächste Stunde verbringe ich damit, eine Rose, einen Kranich und eine Ballerina zu falten. Ich befürchte, dass es dumm und langweilig sein wird, aber stattdessen … erfüllt mich etwas. Es ist nicht unbedingt die Liebe zum Origami, sondern eher das fantastische Gefühl,
normal
zu sein.
    Ich höre der sanft erzählenden Lehrerin zu – hier falten, da drehen –, und das Papier gleitet aus keinem besonderen

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