Blutrote Sehnsucht
Augen.
Ann wollte diesen Schatten zum Verschwinden bringen, weil sie wusste, was ihn hervorgerufen hatte. Rubius’ Töchter warteten immer noch da draußen ... »Ich ... ich fühle mich unglaublich lebendig«, sagte sie, um Stephan abzulenken.
Ein Lächeln kräuselte seine Augenwinkel. »Blut ist Leben, meine Liebste. Jetzt weißt du, was das heißt.« Aber wieder verdüsterte sich sein Gesicht, und sie konnte sehen, wie sehr er sich zusammennehmen musste. »Ich ... es tut mir leid, dass sich dein Leben so verändert hat. Das war nicht das, was du erwartet hattest. Oder was du wolltest.«
Ann richtete sich in seinen Armen auf. Das Beste war, diesen Punkt jetzt gleich zu klären. »Woher willst du wissen, dass ich das nicht wollte?«
Er wirkte überrascht. Aber dann schluckte er. »Du weißt nicht, was für eine Last es ist ... Ewiges Leben, der Drang nach Blut ...«
»Ich bin nicht einer deiner unwissenden, frisch verwandelten Vampire, Stephan«, widersprach sie mit einer gewissen Schärfe. »Ich habe deine Erfahrung in mir. In gewisser Weise habe ich auch schon zweitausend Jahre gelebt.« Sie konnte sehen, dass sie ihn damit nicht überzeugte. »Und Blut trinken zu müssen, scheint ja wohl kaum ein Problem zu sein. Im Gegenteil. Mein Eifer hätte dich fast umgebracht.«
»Dieses Leben ist anders«, flüsterte er, ohne sie anzusehen.
Dem hatte sie nichts entgegenzusetzen. Ein leises Frösteln durchlief sie. Vielleicht hatte er recht. »Und ... du glaubst nicht, dass ich psychisch stark genug bin, um es zu ertragen?« Dem Wahnsinn zu verfallen, war ihre größte Furcht.
Er schrak zusammen und sah sie wieder an. »Nein, das ist es nicht, Ann. Du bist der stärkste Mensch, den ich kenne, zumal du all diese Jahre die Last deiner Gabe ganz allein getragen hast ... Aber jetzt habe ich dich mit einer weiteren Prüfung belastet.« Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, fand aber offensichtlich nicht die Worte.
»Die habe ich selbst auf mich genommen. Das warst nicht du.«
Er schaute ihr prüfend in die Augen. »Wenn ich nicht in dein Leben eingedrungen wäre ...«
Ann fühlte sich seltsam abgelenkt. Sein Geruch, das Pochen des Blutes in seiner Halsschlagader, sein harter Körper an ihrem, all das machte sie ganz schwindlig. Sie schmiegte sich noch fester an ihn und schloss die Augen, als sie eine warme Feuchte zwischen ihren Beinen spürte. »Ich fühle mich unglaublich lebendig, Stephan«, murmelte sie. »Ist das nicht etwas Kostbares?« Sie wollte ihm sagen, wie sehr sie ihn begehrte, aber das erschien ihr wie ein zu oberflächlicher Wunsch, solange sie ihn nicht überzeugt hatte, dass sie dieses neue Leben wollte und die Verantwortung dafür nicht seine war.
»Das ist der Gefährte«, erklärte er. »Du wirst nie wieder allein sein. Und du und dein Gefährte seid zusammen lebendiger als jeder von euch für sich allein.«
»Das ist wundervoll«, flüsterte sie. »Und die geschärften Sinne sind es auch.« Zärtlich strich sie mit den Lippen über seine Schulter. »Dies alles nie erlebt zu haben, wäre eine Tragödie gewesen.« Wie würde die körperliche Liebe sein mit ihren geschärften Sinnen? Ein lustvolles kleines Erschauern durchlief sie bei dem Gedanken, und unwillkürlich strich sie mit einem Finger über Stephans Brustwarze unter seinem Hemd. Aber dann blickte sie auf und errötete vor Verlegenheit. Erriet er, was sie dachte? Wo war ihre Erziehung geblieben?
Stephan lächelte sie zärtlich an. »Auch dieser Impuls ist der Gefährte.« Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und streichelte ihre erhitzte Wange.
Ann verspürte offenbar die ersten Anzeichen des Lebens, wie er es immer schon gekannt hatte. Stephan hatte diese rapide Erweiterung der Sinne und das sprudelnde Leben, die der Gefährte beim ersten Mal hervorbrachte, selbst nie erfahren. Doch er wusste, dass es nahezu überwältigend war für Menschen, wenn sie sich verwandelten. Dies war der Moment, in dem Anns Bemühen, es zu bejahen, erschwert oder erleichtert werden konnte, je nachdem, wie die ersten Eindrücke ihres neuen Zustands waren. Sie schien ihn als positiv zu empfinden, da sie sich schon fragte, wie der Liebesakt mit all diesen gesteigerten Sinneswahrnehmungen sein würde.
»Du brauchst dich nicht zu genieren«, flüsterte er. »Der Gefährte hat einen starken Lebensdrang, und ein Teil des Drangs ist eine verstärkte Sexualität.« Er schob eine Hand unter ihr Haar, um ihren Nacken zu umfassen, und im selben Moment erwachte
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