Blutrote Sehnsucht
übrig.« Deirdre tippte sich mit dem Finger an die Lippen. »Heute Nacht musste ich mehrmals seine Ejakulation verhindern.«
»Um daran zu arbeiten, sind wir hier«, erwiderte Freya schulterzuckend.
»Er muss sich von seinen Gefühlen befreien.« Estancia schmollte wieder. »Ich kann spüren, dass sie noch dicht unter der Oberfläche schwelen. Aufsässigkeit, Ichbezogenheit ... Er ist sehr stolz.« Sie war die Einzige, die ihre Blöße nicht unter einem Morgenrock oder einem Seidentuch verborgen hatte. Die Einzige außer Stephan, der natürlich auch nicht die Möglichkeit dazu besaß. Seine Kleider lagen im Raum verstreut, aber er glaubte nicht, dass die Schwestern ihm erlauben würden, sie einzusammeln und anzuziehen. So schluckte er nur und versuchte, seine Furcht zu verbergen und seine Auflehnung zu unterdrücken.
Deirdre schlug sich mit der Hand aufs Knie und erhob sich. »Gut, dann werden wir also zunächst einmal die sexuelle Energie erhöhen.«
Estancia sammelte Stephans Kleider auf. »Sie unterdrücken , um sie zu erhöhen.«
Freya nahm seine Stiefel. »Dann ist Häufigkeit der Schlüssel.«
»Und wenn die Macht ausreichend ist, gehen wir behutsam vor, um sicherzugehen, dass es nicht so wie bei unserem Letzten kommt.« Deirdre öffnete die Tür.
»Ruh dich aus!«, sagte Freya zu Stephan. »Du wirst deine Kraft noch brauchen.« Sie legte sich ihre Kleider und Estancias Morgenmantel über den Arm.
Zusammen verließen die Frauen den Raum. Mit einem dumpfen Schlag fiel die Tür hinter ihnen zu. Stephan konnte hören, wie der schwere Eisenriegel draußen vorgelegt wurde. Er würde ihn nicht festhalten können, das wussten die Schwestern so gut wie er, doch er war ein eindeutiges Signal, dass er in dem Raum zu bleiben hatte.
Erschöpfung übermannte ihn. Er fühlte sich sowohl geistig als auch körperlich seiner Kraft beraubt. Konnte er sich diesen seltsamen und mächtigen Frauen ausliefern? Aber hatte er eine andere Wahl? Sie stellten ihm die Rettung in Aussicht, für ihn selbst und, falls Rubius recht hatte, was Ashartis Anhänger anging, auch für seine Spezies und die ganze Welt. Er musste durchhalten; er hatte keine andere Wahl. Stephan biss sich auf die Lippe. Er war feige genug, um Angst zu haben, denn es könnte ein langer und verschlungener Weg werden zum Gral.
Stephan drehte sich auf den Rücken. Er brauchte unbedingt ein bisschen Schlaf. Zum Teufel mit der kleinen Van Helsing! Sie hatte diese Erinnerungen in ihm hervorgerufen. Rubius’ Töchter hatten recht, sagte er sich. Sie hatten seine Macht vergrößert, ganz gleich, wie qualvoll es gewesen war. Sie hatten ihn zu einem Werkzeug gemacht, um seiner Spezies zu dienen. Nicht das beste Werkzeug, doch sie hatten ja auch mit reichlich fehlerhaftem Material gearbeitet. Zumindest hatten sie ihm den Weg gezeigt, Erlösung zu erlangen, und dafür war er ihnen dankbar. Egal, wie schlecht es endete.
Darüber durfte er nicht nachdenken. Tuatha, denon, reheldra, sithfren , murmelte er vor sich hin. Er durfte nicht an Ann van Helsing denken. Sithfren, hondrelo, frondura, denai . So. Er hatte sich wieder unter Kontrolle. Besser. Ein leerer Kopf war besser.
8. Kapitel
S tephan erwachte, als die Sonne unterging. Er hatte geschlafen wie ein Toter, erschöpft von den Strapazen im Jagdhaus und den Erinnerungen an seine Ausbildung in Mirso. Der Schlaf hatte ihm gutgetan. Er war wieder er selbst, egal, wie unzulänglich er auch war. Stephan stützte sich auf einen Ellbogen. Kilkennys Armee würde sich auf die Suche nach ihm machen. Mit ein wenig Glück würde der eine Vampir, der gestern Nacht entkommen war, Kilkenny sogar persönlich herführen. Und wann würde das sein? Das kam darauf an, wie weit Kilkenny von Cheddar Gorge entfernt war. Hielt er sich im Norden auf? In Schottland? Irland? Von dort würde er mindestens eine Woche brauchen, vielleicht sogar noch länger. Das würde Stephan Zeit geben, sich ganz von seinen Strapazen zu erholen. Heute Nacht musste er sich stärken und vielleicht besser mehrere Quellen suchen, da er jedem seiner Opfer nur ein wenig nehmen wollte.
Seine Gedanken schweiften wieder zu der hübschen Miss van Helsing ab. Bestimmt hatten sie sie inzwischen gefunden und einen Arzt kommen lassen. Ob sie wohl irgendwem erzählt hatte, was sie gesehen hatte? Oder war sie immer noch bewusstlos? Was würde der Arzt zu dieser merkwürdigen Ohnmacht sagen? Für Stephan war es immer noch ein Rätsel, was mit ihr geschehen sein
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