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Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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könnte.
    Entschlossen richtete er sich auf. Er wollte wissen, wie es Miss van Helsing ging.
    Was auch immer er sich in der vergangenen Nacht gesagt hatte – es war seine Schuld, dass sie erkrankt war. Noch mehr Leiden, für das er verantwortlich war. Es war sein Schicksal, Buße zu tun und zu versuchen, die von ihm begangenen Verfehlungen wiedergutzumachen. Außerdem konnte er ihr, falls sie inzwischen wieder bei Bewusstsein war, suggerieren, dass alles, was sie gesehen hatte, nur ein Traum gewesen war. In ihrem geschwächten Zustand würde das nicht schwierig sein.
    Er kleidete sich schnell an, zog seinen Mantel über und band achtlos die Schalkrawatte über seinem Rock. Er verzichtete darauf, sich zu rasieren, und fuhr sich nur mit den Fingern durch das Haar, um es zu glätten. Schon während er seinen Umhang umlegte, rief er die Macht und Dunkelheit herbei, die ihn von einem Ort zum anderen brachten.
    Stephan unterdrückte einen Schmerzenslaut, als er im Schatten des mächtigen Säulenvorbaus Maitlands Gestalt annahm. Ein Mann mit einem dichten Backenbart und einem Arztkoffer stieg gerade in eine Kutsche in der Einfahrt. Die Kutschentür schlug zu, und der Fahrer, den Stephan schon im Hof des Wirtshauses gesehen hatte, ließ die Zügel auf den Rücken der Pferde klatschen. Als sie sich gehorsam in Bewegung setzten, war Stephan versucht, sich auf den Sitz neben dem Arzt zu versetzen, um den Mann zu befragen und ihn dann mithilfe seiner Suggestivkraft alles wieder vergessen zu lassen.
    Aber das wäre unklug. Was, wenn der Doktor einen starken Willen hatte? In den Köpfen solcher Menschen blieben oft Erinnerungsfetzen oder ein Rest von Furcht oder Misstrauen zurück. Nein. Er musste den Mediziner fahren lassen. Es gab andere Wege, an die gewünschten Informationen heranzukommen.
    Er drehte sich zum Haus um. Das Licht einer Lampe erhellte die zunehmende Düsternis der frühen Abenddämmerung, und die sich am Himmel zusammenballenden Wolken verhießen Regen. Etwas weiter unten starrten die gotischen Bögen des verfallenen Teils von Maitlands Abbey blicklos auf die sanft abfallenden Rasenflächen, die zu einem kleinen See hinunterführten, dessen Wasser vom Wind des nahenden Unwetters bereits gekräuselt war. Bis auf einige Enten war der See wie leer gefegt. Über sich, im rechten Flügel des Hauses, sah Stephan einen Schatten, der sich in einem der Zimmer im ersten Stock bewegte. In Miss van Helsings einstigem Kinderzimmer im dritten Stock war nur ein schwacher Lichtschimmer wahrnehmbar. Warum bewohnte eine erwachsene Frau ein Kinderzimmer?
    Lautlos wie die Nacht schlich Stephan um das Haus herum und horchte auf Geräusche. Hinter der Ecke schloss sich ein weiterer langer Flügel an, der ein neuzeitlicherer Anbau zu sein schien. Das Haus war L-förmig erbaut, und im hinteren Teil befand sich der Küchenbereich, aus dem er das Klappern von Geschirr und ein Schluchzen hörte.
    Als er durch ein Fenster blickte, sah er die ältere Frau mit der schlichten Haube, die, das Gesicht in ihrer Schürze verborgen, von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Stephan stockte der Atem. War die junge Frau etwa gestorben? Ein düster dreinblickender Mann mittleren Alters, der mit einer altmodischen Livree bekleidet war, klopfte ihr unbeholfen auf den Rücken.
    »Na, na, Mrs. Simpson. Der Doktor hat nicht gesagt, dass es keine Hoffnung mehr gibt.«
    Stephan atmete wieder. Sie war nicht tot. Aber was er hörte, klang nicht gut.
    Die Frau brach wieder in Tränen aus.
    »Nun ja, ich gebe zu, dass das wohl eine etwas unglückliche Wortwahl war«, räumte der Mann ein.
    »Sie ist so furchtbar still. Als wäre sie schon tot!«
    »Das ist das Koma. Der Doktor hat Mr. van Helsing gesagt, sie läge im Koma.«
    »Koma? Was ist das? Und wann wacht sie wieder auf?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand der Mann. »Mrs. Creevy meinte, niemand wüsste das.«
    »Und ... und dieser Teufel sagt, wir dürften niemanden bei ihr wachen lassen ...« Ihr Schluckauf wurde so schlimm, dass sie nicht weitersprechen konnte.
    Das Gesicht des Mannes verdüsterte sich. »Er hat hier nichts zu befehlen. Er ist nicht der Herr in diesem Haus.«
    »Noch nicht!«, zischte die Frau. »Aber denken Sie an meine Worte, Mr. Polsham. Jetzt, wo der arme Lord B. so kränklich und auch Miss van Helsing nur noch ein Häufchen Elend ist, wird er hier alles an sich reißen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, glauben Sie mir!«
    »Dazu wird Mr. Brandywine ja wohl auch

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