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Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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bestimmt bald wieder besser gehen. Dann konnte er sich um sein Mündel kümmern. Er würde wissen, wo er eine Pflegerin für sie finden konnte. Oder Mrs. Creevy konnte das übernehmen ...
    Stephan biss die Zähne zusammen. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen, und die bestand nicht darin, sich in die häuslichen Probleme von Leuten einzumischen, die er nicht einmal kannte.
    Andererseits jedoch musste er auf Kilkenny warten. Sein Auftrag konnte im Moment ohnehin nicht ausgeführt werden. Unter dem schweren Dach aus Tannennadeln, deren Duft die feuchte Luft erfüllte, ging Stephan rastlos auf und ab. Wie um das Chaos seiner Gedanken widerzuspiegeln, ließ ein Blitz die Welt in gleißend hellem Licht erstrahlen. Zwei Herzschläge später folgte der Donner. Die Wolken fassten das als ihr Stichwort auf und ließen die ersten dicken Regentropfen zu Boden klatschen. Der Wind peitschte die dichten Regenschleier gegen das Haus.
    Stephan blickte zu dem erleuchteten Zimmer im ersten Stock auf. Van Helsing würde seine Anwesenheit im Haus vielleicht bemerken, aber Stephan wollte sich vergewissern, dass jemand Kompetentes da war, um zumindest die Betreuung des Mädchens zu beaufsichtigen. Deshalb würde er sich diese Frau, diese Mrs. Creevy, einmal etwas genauer ansehen.
    Nur zwei Kerzen erhellten das Zimmer, eine am Bett und eine andere neben dem Sessel. Stephan stand in den Schatten in der Nähe des Ankleidezimmers, als sich die Schwärze um ihn verzog. Die Frau, die in dem Sessel saß, summte vor sich hin, während sie ein endlos langes, undefinierbares Teil aus mausgrauer Wolle häkelte. Ihr Mund hatte das eingefallene Aussehen derer, die alle Zähne verloren hatten. Ihre Haube war weder besonders sauber noch gestärkt. Ein Glas mit ... Gin – das konnte Stephan riechen – stand auf einem Tischchen neben ihr. Stephan blickte zu dem Bett hinüber. Der Kranke, der dort lag, ähnelte kaum noch dem hochgewachsenen, gut gepolsterten Mann, den er im Wald gesehen hatte. Groß war er noch immer, doch seine Haut und sein Gewebe waren schlaff, als verflüchtigte sich die Festigkeit des Lebens, die ihn zusammengehalten hatte. Dieser Effekt wurde noch verstärkt von der grauen Farbe seiner Haut. Stephan hatte diese Gesichtsfarbe schon gesehen. Sie war der Vorbote des Todes, der zwar nicht unmittelbar bevorstehen musste, aber unvermeidlich war. Der Kranke schien zu schlafen. Plötzlich klopfte es an der Tür, worauf Stephan sich noch tiefer in den Schatten zurückzog. Es war Polsham, der ins Zimmer kam. Er blickte zu dem Bett hinüber und wandte sich dann mit resignierter Miene ab. »Mrs. Creevy«, flüsterte er. »Kann ich Sie kurz sprechen?«
    »Sie brauchen nicht zu flüstern, Mr. Polsham. Er kann Sie nicht hören, wenn er so tief schläft. Das tut er immer, wenn es Abend wird.« Ihre Stimme war ein nervtötendes Krächzen. »Waren Sie da, als der Doktor seine Diagnose über Miss van Helsing stellte?«
    »Koma«, sagte sie mit einem vielsagenden Nicken. »Sie wacht vielleicht nie mehr auf.«
    »Aber sie könnte erwachen ...« Polsham gab die Hoffnung nicht auf. Schon allein deshalb mochte Stephan ihn.
    Mrs. Creevy schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.«
    »Wie dem auch sei«, sagte Polsham und richtete sich auf. »Sie wird jedenfalls Pflege brauchen.« Mrs. Creevy zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten sie mir aufhalsen! Ich habe schon alle Hände voll zu tun mit ihrem Onkel da«, brummte sie und zeigte auf das Bett.
    »Er wird ja wohl nicht jede Minute Ihrer Zeit beanspruchen«, wandte Polsham ein.
    »Und wenn ich zwischen all der schweren Arbeit mal die Beine hochlege, ist das nur mein gutes Recht. Er ist ein großer Mann, und wenn er Hilfe braucht, ist es verdammt anstrengend, ihn herumzuschleppen. Was soll ich denn sonst noch tun?«
    »Nun ja ...« Polsham räusperte sich. »Miss van Helsings Pflege wäre keine große Mühe. Sie ist ja so klein und zart. Gar nicht wie ihr Onkel. Zwischen den Momenten, in denen er Sie braucht ...«
    Ein verschlagener Blick erschien in den Augen der Frau. »Nun ja, für den doppelten Lohn könnte ich wahrscheinlich ein paar Mal am Tag nach ihr sehen«, meinte sie.
    Polsham erstarrte für einen Moment, bevor er kühl erwiderte: »Mr. Brandywine wird das erledigen.«
    »Tja, dann spreche ich mit Brandywine, bevor ich auch nur einen Finger für sie rühre. Und für nachts müssen Sie sich jemand anders suchen«, schloss sie

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