Blutsauger
Brig schon mal irgendwo eine Rolle gespielt hat?«
»Du hast recht. Ich hab’s irgendwo in seinen Aufzeichnungen gelesen. Brig – da war eine Ärzte-Clique mal Skifahren, stimmt’s?«
»Exakt«, fühlte sich Kerstin bestätigt und spielte noch einmal ihre Kombinationsgabe aus: »Und hast du eigentlich mal was von Fred Olsen gehört?«
»Fred – was? Ein Skifahrer?« Linkohr war irritiert.
»Fred Olsen. Muss irgendeine Fährgesellschaft auf den Kanaren sein, auch wenn sich’s eher skandinavisch anhört.«
Linkohr verstand die Zusammenhänge nicht. »Du wirst mir sicher verraten, was dieser Fred Olsen mit dieser Geschichte zu tun hat.«
»Man muss als Kriminalist halt immer die Augen offen halten«, spöttelte sie. »Mir sind Reisekataloge aufgefallen – von TUI und Fred Olsen.«
»Und wo, wenn ich fragen darf?«
Sie runzelte ihre Stirn und beschloss, dies für sich zu behalten. Denn sie hatte eine Idee.
50
Max Frenzel war an diesem eisigen Nachmittag ins Naturschutzzentrum ›Schopflocher Alb‹ gefahren. Unterwegs plagten ihn wieder die finstren Gedanken, die ihn seit den polizeilichen Vernehmungen nicht mehr losließen. Wahrscheinlich würden sie sein gesamtes Leben heimlich durchleuchten, sich überlegen, wie das mit seinem Autoschlüssel war und welche Beziehungen er in die Klinik pflegte. Genau genommen, musste er zu dem Kreis der engeren Verdächtigen gehören. Sein Alibi für die Samstagnacht hatte in den Augen der Ermittler gewiss Lücken und bereits seine Beziehungen zu Fallheimer würden zu allerlei Mutmaßungen Anlass geben. Vergangene Nacht war er mehrere Male in Schweiß gebadet aufgewacht.
Jetzt suchte er Ablenkung in seiner kleinen wissenschaftlichen Arbeit, die er im Naturschutzzentrum angenommen hatte. Die Vermehrung von Insekten, besonders blutsaugenden Stechmücken, wollte er gerade im nahenden Frühjahr untersuchen. Er hatte dazu im Keller des Gebäudes einige Terrarien aufgestellt, in denen die jahreszeitlich unterschiedlichen Bedingungen simuliert werden konnten.
Auf dem Weg ins Untergeschoss begrüßte ihn der Leiter des Hauses und machte einige flapsige Bemerkungen. Frenzel erwiderte nichts, weil in diesem Moment sein Handy anschlug. Er zog es aus der Jeans und blieb stehen, um die Verbindung zu sichern, die in den Kellerräumen erfahrungsgemäß abbrechen würde. Während der Chef des Hauses weiterging, meldete sich der junge Mann und lauschte einer Frauenstimme: »Hi, Max.« Irgendwie schien sie ihm vertraut. »Hast du einen Moment Zeit für mich?«
»Lena«, staunte er und lehnte sich an die Wand. »Lena, das ist aber toll, dass du mal wieder etwas von dir hören lässt.«
»Entschuldige, dass ich’s bisher nicht getan habe. Tut mir echt leid, Max. Aber ich hab hier wahnsinnig viel zu tun. Ich verspreche dir, dass wir alles nachholen.«
›Alles nachholen‹, klang es in seinem Gehirn nach. Mein Gott, was hatte er sich von Lena nicht alles gewünscht, als sie sich voriges Jahr in der Helfenstein-Klinik getroffen hatten. Er als Zivi und sie als Praktikantin. Ihn überkam eine positive Aufregung. Und vor seinem geistigen Auge sah er sie: Jung, schlank, groß, strahlend, sympathisch, stets positiv gestimmt. Mit einem Schlag waren alle Sehnsüchte wieder da.
»Lena«, wiederholte er ihren Namen, »wie geht es dir denn?« Mehr fiel ihm in diesem Moment allergrößter Freude nicht ein.
»Kann nicht klagen, ehrlich nicht. Aber dass ich dich jetzt anrufe, hat einen anderen Grund.«
»Einen anderen Grund?«
»Ja, Max. Und es ist ganz wichtig. Du darfst es niemandem sagen, hörst du? Niemandem.«
»Ich … äh …«
»Es ist wichtig«, wiederholte sie. »Du weißt sicher, was in den vergangenen Tagen bei euch gelaufen ist. Klinik und der Tod zweier Menschen.« Ihre Stimme klang auf einmal hektisch. »Das hängt alles mit dieser Sache zusammen, die ich dir mal angedeutet habe, erinnerst du dich?«
Max spürte sein Herz bis zum Hals schlagen. Die anfängliche Freude über Lenas Anruf war nahtlos in nervöse Anspannung umgeschlagen.
»Ja, ja«, stammelte er und dämpfte seine Stimme.
»Halte dich bitte aus allem raus, Max. In deinem Interesse. Diese Leute sind zu allem fähig … Sie haben nicht davor zurückgeschreckt, Dr. Brugger umzubringen.«
»Dr. Brugger?«, wiederholte Max.
»Ja, Brugger«, bestätigte Lena sachlich. »Und ich hab Angst, dass du zwischen die Fronten gerätst. Wenn du verstehst, was ich meine.«
›Zwischen die Fronten‹, hatte sie gesagt,
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