Blutsauger
genug.«
61
Salto del Negro galt als veraltet und permanent überfüllt. Doch der Neubau eines Gefängnisses im Süden Gran Canarias war immer wieder durch Einsprüche verzögert worden. Nun sah es allerdings danach aus, als ob das Projekt in allernächster Zukunft fertiggestellt werden konnte. Für Harald Maronn würde dies ein schwacher Trost sein, dachte Häberle, während ihn Comisario Jorge Figueras über die Autobahn Richtung Las Palmas chauffierte und mit dem Seat keine Gelegenheit zum Überholen ausließ. Der spanische Kollege schien ihn dezent auf das vorzubereiten, was er gleich zu sehen bekommen sollte: Ein altes Gefängnis, in dem die Insassen zusammengepfercht in viel zu engen Zellen saßen. Allein das Gebäude verbreitete mit seiner wuchtigen Architektur den Eindruck martialischen Strafvollzugs.
Häberle passierte mit dem Comisario drei Zugangskontrollen, musste sich mehrfach vor spanisch sprechenden Uniformierten ausweisen und auf guten Zuspruch seines Begleiters hoffen, ehe sie durch einen finsteren, grau getünchten Gang, vorbei an stabilen Metalltüren zu einem Besprechungsraum geführt wurden, von dem Häberle vermutete, dass er auch Anwälten für Gespräche mit ihren Mandanten diente. Fünf Holzstühle waren um einen zerfurchten Tisch gruppiert, dessen Oberfläche unzählige Spuren aufwies, die Generationen nervöser und verzweifelter Gefangener mit ihren Fingernägeln hinterlassen hatten. Die Wände waren kahl und fensterlos, an der Decke hatte jemand völlig unsachgemäß zwei Leuchtstoffröhren montiert. Die Luft fühlte sich feucht und warm an und vom Gang drang das klirrende Geräusch großer Schlüsselbunde herein.
»Kein Ort zum Wohlfühlen«, meinte der Comisario und quälte sich ein Lächeln ab. »Ein Aufseher wird dabei sein«, fügte er an, um Häberle auf die Situation einzustimmen. Wenige Augenblicke später, vom andächtigen Schweigen gefolgt, näherten sich Schritte. An der offenstehenden Metalltür tauchten zuerst zwei bärenstarke Uniformierte auf, die im Schlepptau einen braungebrannten Mann hatten, dessen Handgelenke in metallenen Handschellen steckten. Sie waren über eine Metallkette mit den vorausgehenden Aufsehern verbunden. Zwei weitere Uniformierte folgten.
Der Mann wirkte verstört und übernächtigt, trug ein kurzärmliges, ausgefranstes graues T-Shirt und eine viel zu weite Jeanshose. Er nickte Häberle zu, den er offenbar sofort als den Polizisten aus Deutschland vermutete. Die wenigen Worte, die die Aufseher sprachen, verstand Häberle nicht, aber der Tonfall hatte etwas Militärisches an sich. Sie verwiesen den Gefangenen auf einen der Stühle, lösten die Handschellen, nahmen sie ihm aber nicht ab.
Nachdem sich die vier geeinigt hatten, wer von ihnen im Raum blieb, verschwanden die anderen und ließen die Metalltür scheppernd ins Schloss fallen.
»Ich bin August Häberle, Kriminalhauptkommissar aus Göppingen«, begann der Chefermittler und setzte sich dem Gefangenen gegenüber, während der spanische Polizist links von ihm Platz nahm und sich der Aufseher einen Stuhl an die Eingangstür rückte und sich dort drohend niederließ.
»Sie sind Harald Maronn«, fuhr Häberle fort und sah in ein verschwitztes, ungepflegtes Gesicht, auf dem Bartstoppeln wucherten.
»So ist es«, knurrte der Angesprochene. »Falls Sie hierher gekommen sind, um mir einen Mord in die Schuhe zu schieben, können Sie gleich wieder kehrtmachen.«
»Ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen«, sagte Häberle schließlich.
»Helfen!«, bläffte Maronn und legte die Hände mit den schweren Handschellen auf die Tischplatte. »Bis jetzt hat sich weder der Anwalt, den ich um Beistand gebeten habe, bei mir gemeldet, noch jemand von der deutschen Botschaft. Wenn Sie hier drinsitzen, verrecken Sie. Das interessiert niemanden.« Er warf einen bissigen Blick auf den einheimischen Polizisten.
»Genau genommen bin ich gekommen, um auch Sie um Hilfe zu bitten«, äußerte Häberle ruhig.
»Was jetzt? Wollen Sie mir helfen oder soll ich Ihnen helfen?«
»Was Sie hier in diesem Lande tun, Herr Maronn, geht mich nichts an – auch nicht, welche Art Forschung Sie betreiben oder betreiben lassen und ob das legal oder illegal ist. Mir geht es um zwei Todesfälle in Geislingen, die in irgendeiner Weise mit Personen zu tun haben, die von dieser Forschungsarbeit gewusst haben. Ich weiß nicht, inwieweit Sie informiert sind …«
»Fallheimer und Anja Kastel«, unterbrach ihn Maronn abrupt. »Natürlich
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