Blutsauger
ergänzte der Kommissar.
»Clever?«, wurde Fiedler wieder misstrauisch. »Natürlich ist er clever. Oder was wollen Sie sonst damit sagen?«
»Er soll sichergestellt haben, dass im Falle seines Todes wichtige Forschungsergebnisse nicht in falsche Hände geraten«, zitierte Häberle aus dem, was ihm Linkohr übermittelt hatte.
»In falsche Hände?«, empörte sich Fiedler. »Was heißt da ›falsche Hände‹?«
»Wie ich es sage«, erklärte Häberle ruhig. »Falsche Hände wären beispielsweise jene, die dem Herrn Humstett was antäten.« Er räusperte sich. »Was im Übrigen bereits geschehen ist.«
»Wie?«, fuhr Hoyler dazwischen. »Was? Ist Humstett …«
»Nicht tot«, entgegnete Häberle. »Aber beinahe wäre er es gewesen.«
»Ein Anschlag?«, zeterte Fiedler.
»So ungefähr. Nach derselben Methode wie bei Dr. Brugger.«
»Dieselbe Methode? Was meinen Sie damit?«, hakte Hoyler sofort nach.
»Dünne Metallschlaufe.«
»Und der Täter?« Hoyler wartete ungeduldig auf eine Antwort.
»Entkommen. In die Flucht geschlagen. Humstett weiß nicht mal, ob Mann oder Frau.«
»Aber es kann ja wohl kaum derselbe sein wie hier«, überlegte Hoyler.
»Doch, es kann. Das Zeitfenster wäre groß genug gewesen«, widersprach Häberle.
»Großer Gott«, entfuhr es Fiedler. »Sind die denn alle verrückt geworden?«
»Alle?«, wollte Häberle wissen, aber Fiedler fand keine Antwort auf seine rhetorisch gestellte Frage.
Linkohr war in ein psychisches Loch gefallen und wusste nicht warum. Er hatte Jenny angerufen und ihr schonend beibringen wollen, dass er auch an diesem Abend beruflich keine Zeit für sie haben werde. Einerseits war ihm dies angesichts der zu erwartenden Nähe zu Kerstin keinesfalls so unrecht, aber nachdem Jenny ziemlich sauer reagiert und einfach aufgelegt hatte, fühlte er sich in seiner Mannesehre gekränkt. Außerdem wären zwei Eisen im Feuer besser gewesen als eines, das ihm jederzeit wieder entgleiten konnte. Zwar war der gestrige Abend mit Kerstin traumhaft verlaufen, allerdings vermochte er nicht zu sagen, inwieweit diese Beziehung Bestand haben würde. Wieder mal fuhren seine Gefühle Achterbahn und er zweifelte an sich selbst. Warum hielten seine Beziehungen immer nur für ganz kurze Zeit? War es dieser verdammte Job, der alles vermasselte? Oder setzte er die falschen Prioritäten? Je länger diese Situation anhielt, umso panischer reagierte er, wenn es zu Konflikten kam. Und umso häufiger versuchte er, möglichst mehrere Frauen gleichzeitig zur Auswahl und in Reserve zu haben. Ein Teufelskreis, wie er sich eingestehen musste. Denn wie sollte er sich ausgerechnet in seinem zeitraubenden Job mehreren Geliebten widmen können? Ganz abgesehen davon, dass dies unseriös war und ihn auf Dauer nicht nur im Kollegenkreis in ein zweifelhaftes Licht rückte.
Nein, er wollte sich mit solchen Gedanken nicht befassen. Kerstin interessierte sich stark für sein Gespräch mit Max Frenzel – aber eben leider nur dafür. Seine Andeutung, Hunger zu haben, hatte sie nicht aufgegriffen, obwohl er jetzt so gerne mit ihr zu einem Italiener gegangen wäre. In der Langen Gasse gab es in einem Altstadthaus ein Ristorante, das er längst einmal hatte testen wollen.
»Da hast du ihm aber ganz schön Angst eingejagt«, stellte Kerstin fest, nachdem ihr der Kollege die Situation im Naturschutzzentrum geschildert hatte.
»Der ist kreidebleich geworden. Ich hab schon befürchtet, der kippt um.«
»Es sieht immerhin so aus, als hänge er knüppeldick mit in der Sache drin«, meinte Kerstin, die sich keck auf Linkohrs Schreibtisch gesetzt hatte und ihre Beine baumeln ließ, die in engen Jeans steckten.
»Aber so richtig Sinn macht das mit ihm nicht. Warum soll er den Fallheimer totfahren wollen und sich dann nachts in die Klinik mogeln, um ihn mit einer Salatölspritze endgültig umzubringen? Und warum noch die Anja Kastel?«
»Er handelte vielleicht nicht aus eigenem Antrieb«, gab Kerstin zu bedenken. »Vielleicht im Auftrag.«
»Das würde erklären, warum ihn niemand abgehalten hätte, sich in der Klinik zu bewegen«, ergänzte Linkohr den Gedankengang. »Er erfindet die Geschichte vom gestohlenen Auto – aber weshalb sollte er dieses Katzenkostüm im Naturschutzzentrum verstecken?«
»Das glaub ich so alles nicht«, trat sie den Rückzug an. »Zwar gibt eine andere Theorie auch keinen richtigen Sinn. Aber spannend ist sie trotzdem.« Sie zog einige Blätter aus einer Klarsichthülle, die sie
Weitere Kostenlose Bücher