Blutsbraeute
Enge in seiner Brust auf das Grauen, das diese Verbrechen in ihm auslösten.
Riedwaan wartete auf Piet Mouton, der zehn Minuten später eintraf. Mouton sah sich um und beugte sich dann über die Leiche. »Die Flut kommt verdammt schnell rein. Hier gibtâs nicht mehr viel zu sehen.« Er richtete sich auf, ächzte vor Anstrengung. »Ihr Glück, dass Sie die Leiche überhaupt gefunden haben. Wenn die Flut sie mitgenommen hätte, wäre ein Vergleich mit der letzten nicht mehr möglich gewesen.« Mouton schüttelte sich eine Zigarette aus dem Päckchen. Das Streichholz zischte, als es ins Wasser fiel. »Wer hat sie gefunden?«
»Clare. Jemand hat ihr eine SMS geschickt. Rita kriegt hoffentlich raus, wer das war.«
»Herrje, Riedwaan, lassen Sie die Finger von dieser Frau. Sie zieht Leichen magisch an.« Mouton legte die fleischige Hand auf Riedwaans Schulter, drückte sie. »Aber sie ist sexy. Für mich ein bisschen zu clever und auch zu knochig. Nicht mein Typ.« Piet hatte keinen Typ. Er hatte Mrs. Mouton, weich und mollig, die himmlisch kochte und zu Hause keine Pathologenwitze duldete. Wenn Piet mit der Autopsie fertig war, wartete sie mit einem Stück Kuchen und einer Kanne Tee auf ihn.
»Machen wir die Autopsie noch heute Nacht?«, fragte Riedwaan.
»Wollen Sie beim Rest der Polizei Eindruck schinden?«, fragte ihn Piet. Riedwaan zuckte die Achseln.
»Okay«, sagte Piet und sah auf die Uhr. Es war weit nach Mitternacht. »Die Nacht ist noch jung, und es sieht nicht danach aus, als hätten wir beide etwas Besseres vor.« Eine Welle klatschte über seine Schuhe. »Hier kann ich gar nichts tun, die Flut kommt zu schnell.« Mouton machte rasch einige Skizzen von der Mädchenleiche und überprüfte ihre Glieder auf Totenstarre.
»Seit wann ist sie tot, Doc?«
»Schwer zu sagen. Heute Abend war es sehr kalt, aber ich nehme an, es ist ähnlich wie bei dem anderen Mädchen. SechsunddreiÃig Stunden, maximal. Ich schätze mal, er behält sie gern noch eine Weile bei sich, wenn sie erst mal lieb und still sind.«
»Wollen Sie hier Abstriche machen, Doc?«, fragte der ältere der beiden Pathologietechniker. Er blies sich in die Hände, um sie warm zu halten. Ein eiskalter Nieselregen wehte vom Meer her.
»Nein«, sagte Mouton. »Ihr könnt sie einpacken. Wir schaffen sie ins Labor. Der Regen macht mir den Eindruck, als würde er sich für die Nacht hier einrichten.«
Die beiden Männer hoben den leblosen Mädchenkörper behutsam hoch und legten ihn auf die Bahre. Mouton zog den ReiÃverschluss der Leichenhülle zu, als es wieder stärker regnete.
20
Riedwaan folgte Piet Mouton zur Pathologie, hielt aber unterwegs, um Kaffee zu besorgen. Morgen früh würde er Clare anrufen. Er hoffte nicht, dass sich Jakes am Telefon melden würde. Ihm war danach, diesem Kerl eine ordentliche Tracht Prügel zu verabreichen. Dann hätte er bestimmt nicht mehr so selbstgefällig gelächelt. Riedwaans Faust ballte sich um die Styroportasse. Der Kaffee spritzte prompt heraus und verbrühte Riedwaans Hand. Er stellte die Tasse neben die für Piet in den Aschenbecher, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtete, und parkte neben dessen Auto. Es waren die beiden einzigen Fahrzeuge auf dem Parkplatz. Er stellte die Henkelbecher ab, um den Türcode einzugeben, nahm sie dann wieder und fuhr mit dem Lift nach unten. Piet war schon dabei, die Instrumente und Behälter herauszunehmen und bereitzustellen. Riedwaan stieà die Tür auf und reichte dem Pathologen seinen Kaffee.
»Kein Kuchen?«, fragte Mouton.
»Nein, Sie sind doch sowieso schon viel zu dick, Doc. Fangen wir an.« Riedwaan trank den Kaffee und vermied es, in das schöne, verunstaltete Gesicht des Mädchens zu sehen. Er griff nach einem Klemmbrett und machte sich Notizen. Auch hier war eine Hand auf diese merkwürdige Art verschnürt wie bei dem anderen Mädchen. Er betrachtete ihr Haar. Eine Strähne war abgeschnitten.
»Ein Souvenir für den Mörder?«, fragte er Mouton.
»Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich schon.
Kranke Mistkerle.« Mouton machte sich ebenfalls Notizen.
»Todeszeitpunkt, Doc?« Mouton hatte das Laborthermometer eingeführt. Er machte das immer subhepatisch, führte das Instrument hinter die Leber. Er hielt nichts von Rektalmessungen. Bei einem
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